Wenn Roten einen vor dem Haaröl Seichen rettet

Was tut man, wenn eine Server-Festplatte den Geist aufgibt und einen geschlagenen Tag lang das Onlineleben praktisch tot ist?

Man sinniert nach, dass man Pleite wäre, wenn man jedem Kunden auch nur zehn Stutz als Wiedergutmachung schenken würde. Dass das eigentlich nicht gut ist. Da man ein extrem schlechtes Gewissen diesen Leuten gegenüber hat. Obwohl jede Harddisk mal crashen kann. Schliesslich.

Man beginnt – nachdem man das Weekend im Emmental vorzeitig abbrechen musste – sinnfreie Blogbeiträge plötzlich in Word statt WordPress zu tippen, nachdem das grosse Entschuldigungsmail für die Nacht vorbereitet ist und die Kunden informiert sind.

Ein SMS aus der Technik: “Das Restore ist bei 85%.” Shit, da hätte es laut den ersten Hochrechnungen um 16 Uhr sein sollen, nicht um 21 Uhr.

“Es ist zum Haaröl seichen”, würde mein Vater sagen.
Ist es, und wie.
Seit Stunden.

Man hofft alle paar Sekunden, dass all die Kurznachrichten (gottseidank kann ich bei Sunrise ein Jahr lang unendlich SMS und MMS verschicken…) und die Mails an die alternativen Adressen durchgekommen sind. Man stellt sich vor, wie die einen nun verfluchen. Oder nicht? Weil sie im Süden hocken und gar nix merken?

Man guckt sich die betrüblichen Serverstatistiken an. Letzter Zugriff morgens um fünf. Danach einfach Leere, ein Minibalken für diesen unglücksseligen 24. Juli, der mit zwei SMS im Bett begonnen hatte: “Dein Server scheint weg zu sein.” Eine Rückfrage bei der Technik: “Ich bin schon im Rechenzentrum. Die Harddisk ist tot. Zuckt nicht mal mehr. Ich muss eine neue reintun und das letzte Backup einspielen. Das dauert leider ein paar Stunden.”

Ojemine. Der Super-GAU. Verflucht!

Passiert fast nie, aber wenn, dann meistens an einem busy monday morning. Immerhin da war Herr Mörfi gnädig mit mir. An einem Julisamstag ist wenig los.

Und wenn man nur noch Däumchen- und durchdrehen kann?

Dann nützt man das derzeit sonst leere Haus aus und lässt volle (vollste!) Lautstärke “Hey Jude” von den Beatles laufen, nur um zu merken, dass man immer noch nur falsch singt. Legt dann den Soundtrack von “Boogie Nights” nach, groovt zu ELO, den Commodores und Night Ranger durchs Wohnzimmer.

Blättert die Zeitung durch und sagt sich nach der Lektüre der Todesanzeigen: “Es gibt Wichtigeres im Leben als einen toten Server. Schon.”

Man nimmt die frischen, noch knackigen Sonnenblumen vom Bärenplatzmärit etwas genauer unter die Lupe, die in der Weinflasche aus Santorini stehen. Und realisiert, dass man ihnen einen grauenvollen, langsamen Tod beschert.

Dass die Blätter jetzt nur noch gelber und die Blüten nur noch hängender werden. Und fragt sich, ob man deswegen ein schlechteres Gewissen haben muss als den Kunden gegenüber, die grad nicht ans Sterben denken, sondern Mails abrufen wollen.

Michèle Roten schliesslich holt einen aus dem Todeskampf. Wie Recht doch Frau Weltall hat, wie Recht, WIE RECHT. Selbst wenn sie vermutlich auch Haaröl über das Faktum seicht, dass Petrus das Wetter am Veröffentlichungstag dergestalt versifft hat. So föcking wahr. Sag ich als erklärter Winterfreak. Also 60-Tage-pro-Saison-Skieur. Mann, bringt die es auf den PUNKT, verdammt. Wieder mal. Wieso kann ich das nicht?

Halt – “Get Back“. Und dann “Don’t Let me Down“. Da muss ich jetzt wieder mitsingen. Adjö.

8 Kommentare

  1. es gibt schlimmeres. für dich als anbieter: sicher ein ziemlicher mist. für mich als user: jänu. es war samstag, was solls. sollte vielleicht sogar öfters passieren. eben erst konnte ich lesen, mit welchen tricks man sich einen tag lang offline-leben organisieren kann. jetzt gabs halt mal ein paar stunden keine mails. früher (und das ist nicht sooooo lange her) schrieb man noch briefe, die tage später ankamen. heute wird man nach ein paar stunden nervös. das kanns ja auch nicht sein. in diesem sinne: wünsche gemütlichen sonntag….

  2. Sowas Ähnliches schrieb mir auch ein anderer Kunde: “OK, wir sind heute alle im Online-Zeitalter… aber, hey, ich habe noch erlebt, dass man zum Telefonieren zum Nachbarn gehen musste, dass man in der Wohnung EIN Radio hatte, dass man noch Briefe von Hand schrieb, dass man Kopien auf der Schreibmaschine mit Kohlenpapier erstellte… und du glaubst es nicht: Es ging!”

    Nur – es gibt viele Kunden, die über unsere Server Reisen, Kaffeemaschinen und weiteres verkaufen. Und davon leben. Die haben an solchen Ausfällen verständlicherweise wenig Freude. Aber eben – grundsätzlich hast du natürlich vollkommen Recht…

  3. Wenn’s tröstet: mir ist heute die HD meines Macs abgeraucht, hat allerdings nur 15 Minuten gedauert bis ich wieder arbeitsbereit war, weil ich regelmässige Klone mache.
    Obwohl der shit auch dann noch den fan treffen kann: für wirklich geschäftskritisches Zeug scheint mir da bei Deinem Anbieter etwas zu wenig Redundanz vorhanden zu sein. Aber ich weiss, Ausfallsicherheit kostet, und das exponentiell mehr mit jeder weiteren 9 hinter 99.%

  4. Hatte den Vorteil, dass ich Michèle Rotens Kolumne völlig relaxed bereits am Samstag frühmorgens reinziehen konnte. Stimmt, sie bringts fast immer auf den Punkt. Hat zwar tatsächlich e chly lange gedauert – nicht die Roten, der Unterbruch – aber die Kunden-Kommunikation schien mir vorbildlich – félicitations!

  5. Ganz im Sinn der Flugzeugabsturzstatistik gehören jetzt Blöker’s Server zu den ausfallsichersten wo gitz! 🙂 Kauft, Leute!

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