Videos digitalisieren: Hohe Hürden

Nach der Diasammlung kommt nun die VHS-Tape-Sammlung an die Reihe – irgendwie soll das Zeug so schnell wie möglich auf den PC. Der Weg, den ich seit 2003 mit dem Überspielen auf einen Harddiscrecorder mit anschliessender Kopie auf DVD fahre, ist nicht nur mühsam – zum Archivieren eignen sich aber die kurzlebigen Scheiben nicht. Vermutlich sind die DVDs schneller unlesbar als die Videocassetten.

In letzter Zeit sind zahlreiche Digitalisierungslösungen auf den Markt gekommen – drei davon habe ich für die Berner Zeitung getestet (Link zum Artikel vom letzten Dienstag / PDF-Seite, 600 KB). Das Fazit könnte lauten: Anfänger sind überfordert, eine einfache Lösung gibts nicht.

Hier die etwas unjournalistischere “extended” Version des Textes.
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August 1984: Die Kinder von vier Grossfamilien haben für das ganze Quartier ein zweistündiges Zirkusprogramm auf die Beine gestellt – mit Clowns, Sketches, Tiernummern und Cabareteinlagen. Später präsentiert ein Bekannter stolz die Mitbringsel von den olympischen Sommerspielen in Los Angeles.

Es ist die erste Aufnahme aus dem familiären Videoarchiv – einige der fröhlichen Menschen sind längst verstorben, viele der Kinder selbst Eltern geworden. Es wäre ein Jammer, wenn diese Aufnahmen verloren wären – höchste Zeit also, die Aufnahmen auf den Computer hinüber zu retten.

Teuer und bequem: Spezialisierte Firmen

Viele Hersteller sind zu pessimistisch: Selbst Videocassetten aus der Urzeit der Camcorder lassen sich auch in vielen Jahren problemlos abspielen, wenn sie fachgerecht gelagert werden. Abspielgeräte für VHS- und Video8-Cassetten werden allerdings bald Mangelware sein. Für ältere Formate wie Betamax oder Video 2000 helfen fast nur noch spezialisierte Firmen – an diese kann sich ohnehin wenden, wer den manuellen Kopieraufwand scheut. Viele Unternehmen (wie zum Beispiel filmfix.ch) kopieren auch Super8-Streifen oder Dias auf Datenträger; für grosse Mengen werden aber schnell über tausend Franken fällig.

Wer den Aufwand nicht scheut, kanns auch günstiger haben: Videorecorder an den Computer stöpseln, Play drücken, Filmdatei auf dem PC speichern.

Naja – schön wärs! In der Praxis erwiesen sich alle Lösungen als Zeitfresser oder Experimentierfelder – die Hersteller versprechen zuviel. Mit etwas Übung gelingt das Digitalisieren von VHS-Tapes aber ganz flott.

Schon seit längerem möglich ist der computerfreie Weg: Videorecorder an den DVD- oder Harddisk-Recorder anschliessen, die Videos rudimentär in Kapitel unterteilen und auf DVD brennen. Dummerweise halten DVDs noch weniger Jahre als Videobänder – und die Daten der Festplattenrekorder sind aus Format- und Kopierschutzgründen (DRM-Schrott lässt grüssen, selbst für eigene Aufnahmen) kaum vom Gerät auf den PC zu holen.

Also ab Band direkt auf den Compi mit den wertvollen Erinnerungen!

Es gibt zahllose Lösungen mit dem gängigen USB-Stecker auf dem Markt – die günstigste fiel im Test von vornherein durch: Der Q-Sonic Videograbber (pearl.ch, 69 Franken inkl. Versand) benötigt einen separaten Audioeingang beim PC – das hat kaum ein Notebook. Auch die nötigen Verbindungskabel muss man sich separat kaufen, die Dokumentation ist mangelhaft und nur in englischer Sprache verfügbar. Ich habe den Q-Sonic an den Desktop (mit Line-In) gestöpselt und einfach mal laufen lassen. Versuch 1, einige Minuten: Kein Ton. Aha, man muss in den Optionen den Audioeingang manuell einstellen – gut. Versuch 2: Nicht übel. Aber bei den vollen 720×576 Pixeln war mein Pentium IV mit 2GB RAM überfordert; das Bild ruckelte arg, der Ton war völlig übersteuert. Mit 352×288 gings. Doch nur der Prozessor am Ruckelbild Schuld war? – Versuch 3: Nach dem Zurückfahren der Line-In-Lautstärke in den Windows-Audio-Optionen (welche Laie weiss schon, wo die sind?) eine ganze Stunde digitaliseren. Dummerweise sind aber nur 2 Sekunden in der MPG-Datei. Umgehend ab in dem Elektroschrott mit dem Teil.

Komfortabler sind der Terratec Grabster G3 (Link 1 / Link 2)und der ION VCR 2 PC. Die beiden Produkte nehmen dem Selbstkopierer etliche Entscheidungen ab, denn Videos zu digitalisieren ist eine Wissenschaft für sich – es wimmelt von Formaten, Steckern, Codecs und Auflösungen.

Beide Produkte (Terratec für 139 Franken bei Brack, ION für 259 Franken) werden per USB an den Computer angeschlossen. Der Terratec Grabster bedingt ein eigenes Videogerät, bringt aber sämtliche gängigen Kabel (auch Scart) lobenswerterweise in vergoldeten Fassungen mit.

Das ION-Podukt besteht aus einem einfachen Videoplayer mit USB-Ausgang – viel einstellen kann man in der gewöhnungsbedürftigen Programmoberfläche nicht, was Laien wiederum freuen dürfte. Die Terratec-Software bietet bei Bedarf viel mehr Feintuning – was selbstredend auch viel Zeit und Testläufe benötigt. Alle mitgelieferten Programme erlauben das nachträgliche Schneiden, Optimieren und Bearbeiten der alten Filme, wobei Terratec besser als ION abschneidet.

Die Resultate sind nach einem intensiven Testtag durchzogen: Auf den ersten Blick sehen die digitalisierten Filme am Monitor ansprechend aus. Schaut man aber genauer hin, stellt man fest: Je nach Optionen sind die Filme unschön verpixelt, Bild und Ton sind teils asynchron, einige Aufnahmen leicht verzerrt, der Ton ist manchmal zu laut oder gar nicht vorhanden. Insgesamt schneidet der Terratec G3 besser ab – Verarbeitung und Zubehör sind erstklassig. Wenn man die richtigen Einstellungen gefunden hat, klappt alles. (Interessant könnte auch dieses von neuerdings.com getestete Dings sein.)

Fazit: Keines der Systeme vermochte restlos zu überzeugen – zumindest für die wertvollsten Familienfilme wünschte man sich annähernd perfekte Lösungen. Von der Bildqualität her war einzig das immens aufwändige Verfahren via Festplattenrekorder und DVD tadellos.

Wers dennoch via PC versuchen und nicht die teuren Profis bemühen will: Empfohlen sind eine kurze Einarbeitung in die komplexe Materie sowie das Verwenden der höchstmöglichen Qualität. Dies bedingt einen schnellen Rechner mit extragrosser Harddisk.

Sind die Daten (in den gängigen Formaten AVI, MP4, MPG oder WMV) erst einmal auf dem Rechner, gelten die üblichen Sicherheitsregeln für Datenträger: Mehrere Fassungen auf externen Festplatten und DVDs örtlich getrennt aufbewahren und alle paar Jahre umkopieren. So bereitet der Quartierzirkus von 1984 auch den Urenkeln im Jahre 2084 noch viel Freude. Hier die mit VCR 2 PC digitalisierte Fassung (Teil 1 von 6):

Video: Der Itinger Zirkus Tetanasi anno 1984, ab VHS-Band digitalisiert mit ION VCR 2 PC.

Für Freaks: Die MPG-Datei wurde mit Adobe Pemiere geschnitten und für Youtube als H264 (MP4, 640×480) exportiert. Das VHS-Original stammt von mit einer Panasonic A1 (der ersten “portablen” Videoausrüstung von Panasonic) gefilmt; den etwa A4-grossen und 10cm hohen Recorder hatte man umgehängt wie eine Tasche. Später kam dann die A2 und einige Monate die erste CCD-Kamera F2, alle aber mit externem Band-Recorder-Teil.

September 1984, Klein Blöker (links) erklärt Kameramann Hanspi die Panasonic A1

Herbst 1984: Ich erkläre die A1 dem Kameramann Hanspeter unseres ersten “Spielfilmes”. In meinem Youtube-Space sind zahlreiche Aufnahmen zu sehen, die zwischen 1984 und 1987 mit den A1, A2 und F2 gemacht wurden.

11 Kommentare

  1. My 2 cents: hab das grad an einem Mac durchgespielt und es lief eigentlich sehr schmerzlos. Als Wandler habe ich eine DV-Cam missbraucht, davon über FireWire in den Mac, iMovie (ist bei Macs dabei), encoden fertig. Wenn man noch Authoring machen will gibt’s auch noch iDVD.
    Noch ein Tipp zu Medien/Archivierung: DVD-RAM, magnet-optisch und Hardwarefehlerkorrektur,sind sehr langlebig (ähnlich MO, die in Kliniken verwendet werden).

  2. Vielen Dank für diese Tipps. Genau danach habe ich gesucht, nachdem wir am letzten Wochenende unsere Familienvideos (Video 8 und Mini-DV) angeschaut und uns über die Digitalisierung Gedanken gemacht haben.

    @Michael: Was meinst Du mit “eine DV-Cam” missbraucht? Hast Du die Analog-Videocam an die DV-Cam angeschlossen und die Videos so dort rauf gespielt? Wäre ja ein genialer Schachzug!

  3. @Marcel/Michael: Das würd mich auch interessieren, was du (Michael) mit “Wandler” meinst – denn die meisten konventionellen VHS-Player haben bestenfalls einen Scart-Ausgang, ab und zu noch Composite, aber natürlich niemans Firewire. Klar, dass es damit viel einfacher wäre…

  4. Ich erwähnte meine Lösung, weil viele Leute eh schon eine DV-Cam haben.

    VHS->Scart auf S-Video (oder composite)->Cam

    Entweder erst aufs DV Band aufzeichnen oder direkt am FW-Ausgang abgreifen (geht wohl nicht bei allen Cams). DV-Cams sind eben auch digital-Recorder und a/d-Wandler;-)

    Das wichtigste ist einen guten und v.a. zukunftssicheren Codec beim finalen encoden zu wählen. Leider ist es wohl immer noch das sicherste wenn man eine unkomprimierte Kopie archiviert.

    Ich würde niemals nur auf DVD-R archivieren, meiner Erfahrung nach ein extrem unsicheres Medium. Wenn, dann mehrere Kopien machen und auf Rohlinge verschiedener Hersteller. Oder eben DVD-RAM (schade, dass das Format den Durchbruch nie richtig geschafft hat, RAMs sind aber problemlos in normalen DVD-LW zu lesen.)

    Wenn die Upstreams mal vernünftig un bezahlbar werden, wird man wohl am besten in die ‘cloud’ speichern.

  5. @Michael:
    Jetzt habe ich mich wohl etwas zu früh gefreut, als ich gesehen habe, dass Du geantwortet hast: für mich als Familienfilmli-Regiseur mit ziemlich wenig technischem Know-how ist Deine Beschreibung leider kaum verständlich.
    Hast Du vielleicht ein paar Linktipps, damit ich Dinge wie “VHS->Scart auf S-Video (oder composite)->Cam” oder “einen guten und v.a. zukunftssicheren Codec beim finalen encoden zu wählen” nachlesen kann? Das wäre nett und toll! Danke für Deine Bemühungen!

  6. @Marcel: Has Du eine DV-Cam? Hat sie einen analogen Video-Eingang? (S-Video oder composite, ->Handbuch).
    Dann: was hat Dein Videorecorder für Ausgänge?
    Wenn Scart: Es gibt Adapter, z.B. den da:

    (Link wird gesnippt…, ach ja.., also zum Googeln: Die Firma Hama stellt z.B. sowas her)

    Gibt’s auch bei MediaMarkt, kostet n paar Franken.
    Dann noch ein Kabel, um vom Adapter in die DV-Cam zu gehen. Das meiste gibt’s im MediaMarkt oder besser: Fachgeschäft.

    Mach Dir mal um den Codec noch keine Sorgen, erst mal das Analogmaterial digitalisieren.

    Links hab ich grad keine, musst nur Google entsprechend füttern.

    Es ist eigentlich ganz einfach: Du brauchst einfach (vorausgesetzt Du hast eine DV-Cam mit Analogeingang) die richtigen Kabel und Adapter, um Deinen Analog-Videorecorder (VHS) mit Deiner DV-Cam zu verbinden. Der Rest läuft dann, wie wenn Du mit der Cam einen Film gedreht hättest, d.h. Band auf Compi überspielen, schneiden etc.

  7. Nun gut, im Prinzip gilt doch aber: Wenn man den Adapter schon separat kaufen muss, dann… kauft man sich nicht am besten eh gleich den Terratec G3, da bekommt man sämtliche hochwertigen (!) Kabel, Adapter und eben auch die (einigermassen leicht verständliche) Software gleich mitgeliefert!

  8. Klar, aber Adapter und Kabel war für mich damals ca. CHF 30.-, Software hat’s auf einem Mac alles dabei.

    Ich wusste aber nicht, dass das Zeug mittlerweile so billig ist. Damals(TM) war ein schrottiger Digitaisierer noch mind. 450.-
    (Und Terrortec würde ich trotzdem nicht kaufen, hatte mal üble Erfahrungen mit denen, das ist ganz unobjektiv ich weiss;-))

    Noch ein Vorteil der Cam-Lösung: man hat gleich ein Backup auf Tape.

  9. @Michael: Vielen Dank für Deine Ergänzungen. Damit kann ich die Sache jetzt anpacken! Wichtigste Erkenntnis daraus: das Digitalisieren ist der eine Schritt (den ich vermutlich nich mit der DigiCam mache – siehe unten), das Weiterverarbeiten ein anderer. Das macht’s mir jetzt einfacher, diese Abläufe zu überblicken.

    @Andi: Ich habe mich aufgrund Deiner Tipps über den Terratec G3 und den Pinnacle Video Transfer schlau gemacht. Ich tendiere eher zum Pinnacle, da ich dort in einem ersten Schritt einfach auf eine externe Festplatte digitaliseiren kann (gleichzeitig Archiv). Und die hänge ich danach an den Mac und arbeite mit iMovie weiter.

  10. @Marcel: Nur noch kurz: wenn Du eine Cam hast würde ich mir das Geld für einen zusätzlichen Wandler à la Pinnacle sparen, ich glaube nicht, dass dort bessere Wandler als in einer DV-Cam drin sind. Allenfalls hast Du etwas mehr ‘convenience’, weil Du je nach Cam zuerst aufs Band aufnehmen musst und dann erst überspielen kannst (meine gibt das Signal auch ohne Aufnahme an Firewire weiter).
    Da Du einen Mac hast, hast Du auch schon alle nötige Software. Wenn Du Geld ausgeben möchtest (und Zeit hast;-)), würde ich eher in bessere Schnitt/Bearbeitungssoftware investieren. Z.B. Final Cut Express von Apple).

  11. @Michael: Danke für die Ergänzungen. Final Cut Express habe ich seit etwa 2 Wochen. Und Du triffst den Nagel auf den Kopf: die Zeit, Finanl Cut Express zu lernen, ist noch nicht freigeschaufelt 😉

    Habe übrigens heute die Pinnacle-Lösung bestellt. Die verführerische Möglichkeit, das Ganze “unattended” auf eine externe (schon vorhandene) Festplatte spielen zu können, hat mich zu diesem Schritt “gezwungen”.

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