“Oh – Sorry, kiddo” ist im Klamath Basin eine normale Anrede für einen 70-jährigen Cowdog-Züchter, der sich beschwert, dass sein Latte im kleinen Organic Bistro von Joe vergessen gegangen ist. Kein Wunder: Die Belegschaft ist voll und ganz mit den French Toasts und Mochas für die beiden fast einzigen Touristen in dieser gottverlassenen Gegend beschäftigt.
“Kiddo” hat aber – wie alle – Zeit für einen kurzen Schwatz und erklärt seine Leidenschaft, auch wenn er eigentlich so verschwiegen und geheimnisvoll ist, wie man sich einen Cowboy vorstellt. Nur die Sporen an den Stiefeln fehlen; die hat dafür der zweite Gast nebst den faszinierten Schweizern an seinen Schuhen, dessen Dialekt man aber kaum entziffern kann. Draussen auf den Holzlatten bei der vergammelten Tankstelle liegen Sättel. Semi-Trucks warten darauf, Rinder zu verladen. Auf “Kiddos” Pickup pennen drei Hunde, auf dem Anhänger schnaubt eine Kuh – ihr Atem in der Nebensaison-Morgenkälte ähnelt dem Rauch der nahen Waldbrände; es duftet nach Herbst.
Auch sonst ist die Gegend südlich des Crater Lake eine ganz andere Welt. Seen, Sümpfe, mäandrierende Flüsschen und meilenweite Wiesen mit tausenden von Kühen dominieren die Landschaft. Die meisten Häuser sind heruntergekommen, stattdessen stehen mehrere Autos verschiedener Grösse davor. Viele Ställe scheinen seit Jahrzehnten verlassen und zerfallen langsam. Etliche Gärten sind voller Schrott aller Art. Trotzdem: Die Stimmung ist provinziell-friedlich. Wenn die Touristen im Juli und August über den Crater Lake herfallen, läuft mehr.
Klar, dass sich hier auch allerlei Aussteiger und Engagierte niederlassen, die vermutlich besiedeltere Gebiete satt haben. Joe führt nebst dem Café einen Bioladen und ein Motel, der Betrieb scheint erstaunlich gut zu laufen. Frische organic veggies liegen bereit, auch noch so kauzige Einheimische scheinen hier einzukaufen.
Heidi und Sue, die beiden engagierten Besitzerinnen des “Aspen Inn” in Fort Klamath (“when we started, we had no clue about running a motel”), sind gesprächige Originale: Vor einigen Jahren kauften sie dem grantigen und nicht besonders renovationsfreudigen Besitzerpaar die ganze Liegenschaft ab und peppten den Betrieb auf. Der Umsatz stimmt – auch wenn einige Gebäude noch etwas Touch Up nötig hätten, der knochenharte Einsatz der beiden Frauen und ihre Herzlichkeit macht alles wett.
Wer am Abend etwas essen will, fährt auf den Rat von Sue hin kurz mal nach Chiloquin zu “Melita’s” runter. Der Truck Stop ist etwa 12 Meilen von Fort Klamath weg – eine kleine Distanz hier. Da kann man die Geschichten der Feuerwehrleute anhören, die oben in den Wäldern im Dauereinsatz stehen und sich bei Melita eine kurze Stärkung holen. Lastwagenfahrer machen Pause. Ältere Ehepaare lesen die fettig-abgegriffene, in brüchigen Plastik laminierte Speisekarte, in der Bar drüben stehen Billardtische im Schummerlicht.
“Folks, we gotta stay here ’til ten”, befiehlt der Koch seiner flinken Mannschaft – eine Gruppe hat sich telefonisch für ne Runde Prime Rib angemeldet. Klar doch – machen wir gern. Das Essen ist währschaft und köstlich. Espresso sucht man hier vergeblich: Filterkaffee wie in der guten alten Zeit ist angesagt, und wer ihn aufhellen will, hat die Wahl zwischen drei “Non Dairy Creamers”: Haselnuss, Schoko, French Vanilla. Dank solch herrlichen Orten hält sich ausserhalb des Landes wohl das irre Gerücht, dass die Amis keine Ahnung von Kaffee hätten.
WLAN? GSM-Empfang? Nee. Drei Tage Abgeschiedenheit taten sooo gut. Wenns eine Definition für “im Chrutt usse” gibt, heisst sie “Fort Klamath”. Mehr Bilder hier.