Schnee- und Pistenberichte: Meist gelogen

Ein halber Meter Schnee, ausgezeichnete Pulverschnee-Pistenverhältnisse: Das ist in diesem Winter ein mittleres Wunder. Klar, da gehen wir Skifahren! Vor Ort dann die Ernüchterung: Bestenfalls 20cm weisse Pracht – und die harten Kunstschneepisten sind höchstens fahrbar.

Viele Schneeberichte sind voller Lügen.

Dabei hat man mit den Liftbetreibern sogar etwas Mitleid – schliesslich führen ausbleibende Gäste zu Defiziten und Kurzarbeit. Trotzdem wünschen sich zahlende Kundinnen und Kunden, die ihre Latten nicht nach jedem Skitag einem grossen Service zuführen wollen und oft von weit her anfahren, eine ehrliche und offene Kommunkation der Schneesport-Stationen.

Die Realität sieht anders aus: Schneeberichte von Bergbahnunternehmen sind allzu oft schöngefärbt. Ob man sich Freunde macht, indem man die Schneelage unlauter aufpeppt und dann einen Haufen enttäuschte Gäste hat?

Abhilfe schaffen immer mehr Otto Normalverbrauchers, die auf ihren Websites oder in Netzforen neutral berichten, indem sie die Lage hautnah erleben, unzensurierte Reportagen schreiben und möglichst viele Fotos aufschalten, sodass sich jeder und jede selbst über die Lage informieren kann.

In anderen Bereichen – wie Gastronomie oder Hotellerie – haben sich “Amateur Reviews” längst durchgesetzt: Auf meiner letzten Reise habe ich Hotels ausschliesslich aufgrund Bewertungen früherer Gäste ausgewählt. Wie dieser Artikel des “San Francisco Chronicle” aus dem Sommer 2006 illustriert, bin ich da längst nicht der einzige.

Auch dem “K-Tipp” ist aufgefallen, dass “Pulver, gut” heuer auffällig viel zu lesen war, während daneben mit grünen Wiesen verzierte Artikel über den Klimawandel standen. Das Konsummagazin entlarvte die meisten Schneeberichte als Mogelpackung (siehe unten). Schmerzhaft die “Macht der Basis” erfahren musste heuer zudem des Bloggers Hausskigebiet Sedrun Im Gästebuch tauchte plötzlich heftige Kritik am euphemistischen Pistenbericht auf – zudem wurde auch gleich ein Hotel in die Pfanne gehauen. Das kann natürlich passieren. Doch dann geschah das Unfassbare: Kurzerhand wurde das Guestbook vom Netz genommen. JacoBlök hat die wichtigsten Auszüge aber als Screenshot archiviert – dies sind nur Ausschnitte, es ist aber klar sichtbar, dass es auch positives Feedback gab.

Ein klarer Fall von Hilflosigkeit: Eine zeitgemässe Reaktion wäre, wenn der Hotelier sich wehrt und durch Bilder z.B. das Gegenteil der Kritik beweist oder Besserung gelobt, wie das z.B. auf tripadvisor möglich ist. Die Bündner Oberländer Touristiker haben wohl die Rechnung ohne ihre Gäste gemacht: Das Löschen einer öffentlichen Feedbackmöglichkeit wird mitunter dazu führen, dass Kritik abseits jener Kanäle geäussert wird, die für Hoteliers oder Bergbahnen noch kontrollierbar sind. Ich habe z.B. im Alpinforum noch selten einen Bergbahnbetreiber gesehen, der auf einen Bericht reagiert – kein Wunder, die meisten werden kaum davon wissen…

Liftbetreiber können auf die vermehrte Bewertung durch ihre Kundinnen und Kunden adäquat reagieren, indem sie z.B. mehr Webcams aufschalten (wo alle ohne Zensur sehen können, wie die Lage ist) sowie transparent, ehrlich und ausführlich informieren – das heisst: Auf Lügengebilde verzichten, bei schlechter Lage Alternativen empfehlen, auch den Tagesverlauf miteinbeziehen (z.B. “bis 12 Uhr top, danach nur noch für mittlere bis gute Skifahrer”). Und womöglich sogar auf Foren-Berichte aktiv verweisen – ehrlich währt immer noch am längsten.

Frech ist dabei die Forderung von Casimir Platzer, Präsident des Hoteliervereins Berner Oberland. Er hat im “Bund” vom 6. März 2007 vorgeschlagen, die Webcams der Kurorte in höhere Lagen zu verlegen, “dorthin, wo der Winter auch dieses Jahr stattfindet.” Er nannte das eine “Verbesserung der Kommunikation”. Wir nennen das eine Verarschung der Gäste.

Platzer, der mit seiner Familie das Victoria Ritter Hotel in Kandersteg führt, hat offenbar immerhin gecheckt, dass man auf Kritik adäquat antworten kann. Die Forderung nach den verfälschten Webcambildern erstaunt angesichts dieser Gewandtheit auf dem elektronischen Parkett doch sehr.

Vorbildlich sind hingegen z.B. US-amerikanische Skigebiete, die täglich einen Prosa-Bericht mit allerlei Aktualitäten ergänzen, siehe u.a. in Bromley (Vermont, New England): Da gibts täglich ein Foto aus dem Skigebiet und jeden Morgen aktuelle Infos vom Pistenchef. Hier werden die Kundinnen und Kunden ernst genommen und vorbildlich informiert.

Natürlich machen alle Bergbahnen das Beste aus der zumeist prekären Schneelage – und die SchneesportlerInnen rechnen nicht mit den allerbesten Pisten. Ein Grund mehr, in Schneeberichten nicht zu bescheissen.

Kleiner Trost: Die Winter 1988/89, 1989/90 und 1997/98 waren noch schlimmer als der aktuelle “Winter”. Von Ende Januar bis Anfang April 1998 war es in Sedrun beispielsweise aper, wie dieses Bild der Talabfahrt vom Februar zeigt.

Der grosse Schnee kam am 4. April 1998, und anschliessend wars tiefverschneit bis Anfang Mai. Es besteht also noch Hoffnung.

7 Kommentare

  1. Ohne mein Wissen hat der "K-Tipp" kürzlich ähnliche Schlüsse gezogen: Die meisten Pistenberichte erwiesen sich beim Test als kreuzfalsch. Im Bericht ist zu lesen, dass Schweiz Tourismus die Angaben der Wintersportorte nicht überprüfe; Reklamationen gebe es kaum. Interessant ist eine Neuerung auf den Winter 2007/08: "Internet werden enttäuschte Skifahrer den Knopf «Daten falsch» drücken können. Sobald das deren fünf getan haben, interveniert Schweiz Tourismus bei der entsprechenden Bergbahn."

    Klare Angaben liefert auch die Anleitung, wie Pistenberichte zu erstellen sein – im Artikel ist nachzulesen: "Offene Pisten sind mit «gut» oder «fahrbar» zu bezeichnen. «Gut» ist nur zulässig, wenn «alle Pisten im Hauptskigebiet für den Durchschnittsfahrer ohne Schwierigkeiten (z. B. vereiste Abschnitte/Passagen) befahrbar sind». Die Kombination «gut-fahrbar» bedeutet: Zwei Drittel der Pisten sind gut, das restliche Drittel ist fahrbar."

    "Gut-fahrbar" wäre zum Beispiel zwischen Weihnachten und Neujahr in Sedrun die korrkete Bezeichnung gewesen; stattdessen versprachen die Bergbahnen auf ihrer Website "gute" Pisten – kein Wunder, regte sich da der Widerstand der Gäste.

    Der ganze Artikel samt Test ist hier käuflich erwerbbar.

  2. Bin heute per Zufall auf Ihren Artikel gestossen.

    Sie haben ja wohl sehr gut recherchiert und ich bin erstaunt dass Sie meine Forderung, die Webcams in höhere Lagen zu verlegen, als Frech bezeichnen. Frech sind wohl eher Sie, wenn Sie mir unterstellen, dass ich damit die Gäste verarschen will. Denn wie Sie immerhin richtig gesehen haben, sind uns die Gäste und deren Meinungen sehr wichtig. Nebst den Gästebeurteilungen auf Tripadvisor.com ist unser Hotel das am zweithäufigsten empfohlene Hotel der Schweiz. Die letzten beiden Jahre durften wir von der Firma Holidaycheck.de eine Auszeichnung als “Eines der 99 beliebtesten Hotels der Welt” entgegen nehmen. Sicherlich nicht weil wir die Gäste verarschen.

    Sie oder eventuell der Journalist des Bundes hat meine Bemrkung überhaupt nicht begriffen. Viele Webcams der Skiorte sind in den Dorfzentren aufgestellt und nicht im Skigebiet. Im vergangenen Winter waren viele der Dörfer grün, die Skigebiete hatten aber genügend Schnee und die Verhältnisse waren weiter oben sehr gut. Und deshalb meine Empfehlung, die Webcams höher zu platzieren.

    Eventuell ist das Ihre Art zu kommunizieren. Meine aber sicherlich nicht.

    Wünsche viel Glück mit Ihren gut recherchierten Artikeln und den schnöden Bemerkungen.

    Hochachtungsvoll
    Casimir Platzer
    Hotel Victoria Ritter, Kandersteg

  3. Grüezi Herr Platzer

    Zuerst mal Danke, dass Sie sich die Mühe nehmen, zu antworten. Aber wie erwähnt scheinen Sie auf dem elektronischen Parkett ja gewandt zu sein. Und ich freue mich über die gute Resonanz zu Ihrem Betrieb – was ja zum Glück nichts mit Ihrer Bemerkung zu den Webcams zu tun hat, die Sie in einer ganz anderen Funktion gemacht haben.

    In der Sache haben wir sicher eine Differenz: Wenn Sie gesagt hätten, man solle *auch* in höheren Lagen Webcams aufstellen, hätte ich applaudiert. Inwiefern der “Bund” Ihre Aussagen korrekt wiedergegeben hat, weiss ich nicht – ich habe jedenfalls keine Widerrede in Form eines Leserbriefs o.ä. von Ihnen im “Bund” gelesen. Im besagten Blatt stand eindeutig “verlegen”. Und wenn Sie das wirklich wollen – mit Verlaub, das finde ich tatsächlich frech.

    Ich weiss auch nicht, was aus Sicht eines Konsumenten bzw. Gastes an so einer Bemerkung “schnöde” sein soll; Sie wollen es uns ja offenbar verunmöglichen, uns objektiv informieren zu können, ob es in einem Ort Schnee hat oder nicht (denn die Schneeberichte sind ja – wie ich aus eigener Erfahrung weiss und wie der K-Tipp recherchiert hat – nichts wert).

    Wieso sollten die Gäste kein Anrecht darauf haben, zu wissen, wie die Talabfahrt aussieht? Wie die Stimmung im Dorf ist?

    Oder meinten Sie tatsächlich, dass Sie AUCH in höheren Bereichen Webcams möchten, ZUSÄTZLICH zu denen im Tal? Dann können wir unseren Zwist umgehend begraben und sind uns völlig einig. Je mehr Cams, desto besser – so können alle schauen, wo es wie aussieht, und sind nicht auf womöglich geschönte Angaben der lokalen Touristiker angewiesen.

  4. Bschiss-Pistenberichte können übrigens ab sofort bei Schweiz Tourismus gemeldet werden: Nach fünf negativen Rückmeldungen fliegt der fehlbare Ort aus dem nationalen Pistenbericht, wie der “K-Tipp” berichtet.

    Ein Feedback kann direkt im entsprechenden Wintersportbericht erfolgen (Region und dann Ort auswählen, zuunterst “Feedback zu diesem Bericht” anklicken).

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