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Vor über sechzig Jahren sorgte der Journalist Peter Surava mit seinen Sozialreportagen in der linksliberalen Wochenzeitung “Die Nation” regelmässig für Aufsehen – so auch 1944, als er zusammen mit dem Fotografen Paul Senn die Erziehungsanstalt Sonnenberg bei Kriens aufsuchte, wo ein Heimleiter mit eiserner Faust herrschte.
Der “Sonnenberg-Affäre” ist die laufende Ausstellung im Museum Bellpark in Kriens gewidmet.
Diese Form des Journalismus war damals etwas Neues. Über das Verdingkinderwesen, die Ausbeutung von Heimarbeiterinnen oder Missstände in Kinderheimen getraute sich damals kaum jemand zu schreiben. Der Krieg war stets eine ausgezeichnete Ausrede, diese dunklen Flecken der Schweizer Geschichte auszublenden.
Surava griff aber nicht nur zur Schreibmaschine, sondern setzte sich für die Akteurinnen und Akteure seiner Reportagen ein. Er rief zu Spenden auf – erfolgreich. Suravas Stil stiess offensichtlich auf Anklang: Zwischen 1941 und 1944 erhöhte sich die Auflage der Nation rasant. Unter seiner Ägide stieg sie von 8000 auf über 100’000 Exemplare.
Doch den Behörden war Suravas Art der Berichterstattung ein Dorn im Auge; auch vielen Berufskollegen passte seine Schreibe nicht. Nach dem Krieg wurde Surava regelrecht fertiggemacht und musste eine neue Identität annehmen, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Erst in den 1990er-Jahren wurde er rehabilitiert – unter anderem dank des Dokumentarfilmers Erich Schmid.
Was war die “Nation” mit ihren Sozialreportagen? Ein “sensationslüsternes Dreckblatt”, wie es auch die Zensurbehörden sahen? Oder eine Zeitung, die mutig und mit einer guten Schreibe die Bevölkerung auf Missstände im Lande aufmerksam machte, die viele lieber unter dem Deckel behalten hätten?
Dieser Frage sind meine Kollegin Annetta Bundi und ich mit einer vor rund zehn Jahren am Institut für Medienwissenschaft der Uni Bern verfassten Facharbeit (PDF, 600 KB) auf den Grund gegangen. Surava selbst lernten wir leider nicht kennen; er starb wenige Tage vor dem geplanten Besuch in Roger Blums Sozialreportagen-Seminar.
Aufgrund einer freundlichen Anfrage der Ausstellungsmacher haben wir unsere Archivkisten nochmals geöffnet. Diesen Mittwoch (4. November 2009) referieren wir um 19.30 Uhr im Museum Bellpark Kriens rund um die Sozialreportagen in der “Nation”.
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