Raleigh Dover 40: Das fast perfekte Stromvelo

Beni Frenkel hatte in seiner NZZaS-Polemik am 8. Mai grundsätzlich schon recht. Das mit diesen Strombikes ist eigentlich ein rechter Furz.

Aber wie’s Fürze so in sich haben, hat man sie nicht ganz ungern – der Reiz des Verbotenen?

Frenkels These: “E-Bikes sind so notwendig wie eine elektrische Pfeffermühle. (…) Ein Velofahrer, und das verstehen die E-Biker nicht, will nicht unbedingt so schnell wie möglich von A nach B kommen. (…) Warum können die Menschen nicht einfach absteigen, wenn es zu steil wird?”

Nun, das ist bei Lichte betrachtet etwas zu kurz gedacht. Ich will in der Stadt so schnell wie möglich von A nach B kommen – da verstehe ich Sie nun grad gar nicht. Ich habe nie ein Auto besessen, mein neues eBike ist also quasi mein kleiner Auto-Ersatz. Und das Auto schiebt man ja auch nicht den Berg hoch.

Das eBike braucht hingegen viel weniger Platz und hat zweifellos die bessere Umweltbilanz als eine Karre, umweltschädliche Akkuherstellung hin oder her. Zu Hause haben wir Solarstrom und lokale Wasserkraft abonniert; das ist zwar sauteuer, aber muss halt so sein heutzutage.

Werter Herr Frenkel, mein stromfreies Velo habe ich natürlich immer noch. Als Jugendlicher bin ich wie Sie schwitzend und keuchend durch meine damalige Heimat gefahren und war mächtig stolz, auf der Sissacher Fluh angekommen zu sein, ohne abzusteigen. Oder in Anwil, pardon, Ammel.

1984-1988 fuhren wir mit dem Velo nach Sissach zur Schule, meist zweimal täglich hin und zurück, total rund 12km, bei jedem Wetter: Brütende Hitze, ungepflügte Strassen bei 25cm Neuschnee oder strömender Regen machten uns Teenies nichts aus. Wir lachten über die doofen Töfflibuebe und schrieben dem SoBli mit 14 gar hämische Leserbriefe über deren “lärmige Stinkkisten” (insgeheim fanden wir die meist kettenrauchenden Jungs natürlich schon ein wenig cool).

Mit zwölf machten Freund Tanner und ich eine Tandemtour nach Olten, volle Kanne auf der Hauptstrasse über den Unteren Hauenstein – heutige Eltern würden sowas vermutlich nie und nimmer mehr gutheissen:

Tanner und Andi unterwegs nach Olten - per Tandem (Mai 1984)

Heute siehts anders aus: Ich bin ein fuuler Siech. Um mit Skis die Berge zu erklimmen, brauche ich Skilifte. Und nun auch noch einen Stromantrieb am Velo. Schlicht aus praktischen Gründen: Ich mag nicht immer verschwitzt heimkommen, wenn ich in der Stadt unten was erledigen musste. Seit wir auf einem Hügel wohnen, ist die Hemmschwelle, das Fahrrad zu nehmen, viel höher.

Aber natürlich mache ich ein paar Spass-Velotouren noch heute mit meinem guten alten “Koga Miyata Tourer”. Allerdings muss ich zugeben, dass die Tour auf den Bantiger kurz nach dem Kauf schon sehr viel angenehmer war mit dem neuen Raleigh Dover 40.

Raleigh Dover 40 - die erste grosse Tour auf den Bantiger (Mai 2011)

Immerhin: Dank dem eBike komme ich viel mehr raus an die frische Luft, und trampen muss ich ja immer noch – mein seit einem Skiunfall hochgradig arthrotisches Knie dankt dem Stromvelo dafür, dass es zwar bewegt und geschmiert wird, aber infolge des geringeren Kraftaufwandes sehr viel sanfter.

So beschloss ich eben, die mit den tiefen Hypozinsen heuer eingesparte Miete und wegen des Hausumbaus halbierten Steuern in ein rechtes eBike zu investieren statt irgendwo weit weg Ferien zu machen. Sonst einfach so 5000 Stutz her zu bekommen (Totalpreis inkl. Helm, Lederpolstern an der Gabel und Korb) wäre nicht allzu einfach gewesen.

Wieso so ein teures?

Die Testfahrten der letzten Monate zeigten: Alles, was ohne die gelbe Töffli-Nummer läuft, ist Chinderlizügs. Man hat zwar einen Antrieb, kommt aber irgendwie doch nicht richtig vom Fleck. Wenn die Unterstützung bei 25 km/h aufhört, ist das ein wenig wie als Kind mit 15kg Steinen im Rucksack wandern, obschon einen Papa am Seil hochziehen hilft.

Aber was sollte ich denn genau kaufen?

Am überzeugendsten waren noch die “Flyer” aus Schweizer Produktion – allerdings ist das Design dieser Pionier-E-Fahrräder immer noch derart hanebüchen… sowas abgrundtief Gruusiges kommt mir sicher nicht vors Haus, da muss man sich ja schämen (liebe Flyer-Menschen… wie wärs mit einem neuen Designer)? Thömus “Stromer” wären auch noch eine Wahl gewesen, die sehen gut aus, fahren auch zügig und bieten sogar eine Rekuperation, fast wie bei einem Hybridauto.

Auch wenn ich auch gern ein Schweizer Produkt gekauft hätte: Schliesslich wurde es ein Englisches, allerdings mit dem selben Panasonic-Antrieb wie bei den Flyern. Das Velohaus meiner traditionellen Wahl, Velo Jakob in der Berner Brunngasse, stellte mir zig Test-eBikes verschiedenster Couleur zur Verfügung, und diesen Top-Service wollte ich mit einem Kauf honorieren. Beste Beratung, kostenloses Feintuning, nahe gelegen – so hat man das gern.

Beim Antrieb des “Dover 40” sind die drei Stufen Eco, Standard und High bestens voreingestellt. Wenns schnell gehen muss, geht mit “High” auch bergauf die Post ab; selbst steilste Anstiege meistert man mit der höchsten Einstellung im ersten Gang spielend. Zwar nicht schnell, aber eben fast ohne zu schwitzen. Die Steigung Monbijou-Morillon-Zieglerspital meistere ich locker mit 35km/h, ohne allzu sehr is Schnuufe z’choo.

Etwas Schade: Der “Anzug” ist recht hart. Eine zusätzliche zweistufige Einstellung für “Gemütlich – Antrieb gemächlich zuschalten” und “Standard – Antrieb sofort auf höchster Stufe” wäre sinnvoll. Heute ist es so, dass es einen nicht gerade vom Sattel jagt, wenn man bei Stufe “High” in die Pedale tritt, aber fast.

Und gerade beim Fahren in der Ebene wirds schnell mal ruckelig, wenn sich der Strommotor ständig an- und abschaltet, da man sich stets im Grenzbereich zwischen “Antrieb nötig” und “Antrieb überflüssig” bewegt. Es hilft ein wenig, die Unterstützung auf “Standard” oder “Eco” zu stellen (letztere Stufe ist übrigens auch super, wenn man gemeinsam mit einer Nicht-eBike-Fahrerin durch die Gegend tingelt) – aber perfekt ist das noch nicht gelöst.

Das Display könnte gut und gerne noch eine Uhr drin haben – gerade wenn man knapp dran ist, den Zug zu erwischen, möchte man nicht ständig am Rotlicht das Handy aus der Tasche kramen müssen.

Unparktisch: Den Akku muss man zum Laden immer rausnehmen (wäre bei Thömus Stromer nicht nötig) – und das Ladegerät (Akku muss reingestellt werden) ist etwas klobig.

Raleigh Dover 40 (Mai 2011)

Ansonsten kann ich das “Dover 40” (ca. 4799 Franken im Fachhandel) wärmstens empfehlen. Ausschliesslich hochstehendes Material wurde im trotz allem sehr leichten Radel verbaut, z.B. Suntour NCX-D LITE (Gabel), Shimano Deore (Schaltung), Magura Julie Disc (Scheibenbremsen).

Der 18Ah-Lithium-Ionen-Akku verspricht eine Reichweite von bis zu 140km – naja, da ist wohl “Fahren im Eco-Modus” gemeint. Mit der höchsten Stufe vom Liebefeld bis zum Bantiger via Gümligentäli und retour via Ostermundigen (ca. 35km) war der Saft jedenfalls beinahe draussen.

Das 4999 Franken teure 27-Gang-Modell “Dover 40 Premium” habe ich auch getestet, es hatte schlicht keinen Mehrwert (im Gegenteil, die vielen Gangschaltungsmöglichkeiten waren eher verwirrend) und die weisse Farbe ist nicht jedermanns Sache.

Auch wenn wir in zehn Jahren über die primitive Technik, die geringe Reichweite und den schlappen Akku nur grinsen werden: Heute ist das “Dover 40” für anspruchsvolle Alltags-eBiker und Faul-Tourenmacherinnen das Modell.

6 Kommentare

  1. Extrem gruusig. Gut, vielleicht sind sie auch zu erfolgreich und versuchen die Verkäufe durch Horrordesign künstlich zu dämpfen?

    Dieser heute im Liebefeld gesichtete Flyer hat allerdings Kultstatus… vermutlich war das Keller-Gebastel-Beta-Version 0.1, ganz ohne Display und Schnickschnack:

    Kult-Flyer, Version 0.1

    (Grössere Fassung)

  2. Inzwischen überzeugt mich das Dover 40 nicht nur im Stadtverkehr, sondern auch in den Bergen: Ohne eBike hätte ich die Ausflüge nach Nalps und Curnera nie gemacht, so kam ich wenigstens zu Bewegung und Frischluft.

    Die Eckdaten der Touren:

    1) Sedrun (1400m) – Nalps (1900m), 22km, 2/3 im High- und 1/3 im Standard-Modus, 90% Teerstrasse, 10% Feldweg, 2 von 5 Akku-Strichli übrig (wobei es kurz vor dem Zurückfallen auf eines war)

    2) Sedrun (1400m) – Curnera (1950m), 28km, 1/3 im High- und 2/3 im Standardmodus, 100% Teerstrasse, locker 2 von 5 Akku-Strichli übrig

    Fazit: Der High-Modus sauft ziemlich Akkupower. Wenn man trotz Stromvelo noch ein wenig ins Schwitzen kommen will und länger vom Allu profitieren, fährt im Standardmodus genau richtig.

  3. Lustig: Gerade vor vier Wochen habe ich der Firma Flyer eine E-Mail geschrieben, dass ich sehr an ihren Fahrrädern interessiert wäre, wenn sie nicht dieses Behindertenvelo- bzw. Rollator-Flair hätten. Wenn ich mit einem solchen Fahrrad die Seepromenade rauf und runter fahre, finden die Frauen mich gar nicht cool, sondern eher krass uncool – ein nicht zu unterschätzendes Kauf-Kriterium.

    Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass auch andere Marken dieses seltsame Design übernommen haben – Cresta zum Beispiel.

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