“Tschernobyl – das letzte Signal vor dem Overkill” – nee, da hatte Wolf Maahn leider Unrecht. Der Mensch ist leider so, dass er immer mehrere Signale benötigt. Es wird auch nach Fukushima nicht anders sein.
Fukushima in Mühelberg? Zugegeben: Extrem unwahrscheinlich, aber allein die Tatsache, dass sowas passieren könnte, müsste doch spätestens jetzt jeden vernünftigen Menschen dazu bringen, sich von dieser Technologie für immer abzuwenden.
Klar: Windkraftwerke und Solarzellen sind nicht unbedingt eine Zier. Staumauern können brechen. Wenn in Sedrun die Staumauern Nalps oder Curnera nachgeben, dann ist mein Heimattal überflutet. Das wäre sehr betrüblich und eine grosse Tragödie. Es hat in der Geschichte mehr Dammbrüche als GAUs gegeben. Aber nüchtern betrachtet ist dann immerhin nicht die halbe Schweiz für Jahrzehnte unbewohnbar.
Ich bin nun aber nicht einer der Träumerlinken, der sagt: Braucht weniger Strom, dann klappt das schon.
Ich halte die Lichtqualität von Stromsparlampen für grässlich, ich verzichte nicht auf die neusten technischen Geräte, ich habe lieber 21 Grad als 18 Grad zu Hause. Realistischerweise braucht unsere Gesellschaft schlicht jedes Jahr mehr Strom. Das grundlegend ändern zu wollen, ist naiv.
Natürlich lässt sich mit technischen Massnahmen der Verbrauch vieler Geräte senken – immerhin “säuft” unser neuer Kühlschrank sehr viel weniger Strom als der alte, und hätten wir Geld, wären längst Solarzellen auf dem Dach montiert.
Doch da beginnen die Probleme: Heimatschützer könnten sich gegen Solarzellen wehren, Windkraftwerke bringen viele Landschaftsschützerinnen auf die Palme.
Das muss sofort aufhören! Denn spätestens jetzt gilt die Devise:
– Energieerzeugung aus Solarenergie auf Hausdächern überall von Einsprachemöglichkeiten ausnehmen und massiv subventionieren.
– Einsehen, dass ein Windkraftwerk zwar eine Landschaft verändert, aber hundertmal besser ist als ein Kernkraftwerk.
Wir haben es als StromkonsumentInnen allerdings jetzt schon in der Hand, den Hebel umzulegen.
Überlegen Sie sich doch, was Sie für Schlüsse aus der neuerlichen Atomkatastrophe ziehen; nach menschlichem Ermessen ist es nicht die letzte gewesen. Die nächste könnte in Europa stattfinden.
Wechseln Sie jetzt Ihren Strommix!
Setzen Sie ein Zeichen!
Zumindest zu Hause entsteht dieser Blog aus 100% sauberer Energie, aus lokaler Wasserkraft und einem namhaften Anteil Berner Solarstrom.
Ja, das kostet – und zwar ziemlich viel leider. Aber ehrlich gesagt gehe ich lieber einmal weniger in die Ferien als dass ich ein AKW vor der Haustüre habe oder zukünftigen Generationen irgendwelche irren Endlager zumute. (Hoffentlich denken die Franzosen und Deutschen eines Tages auch so.)
Stellen Sie sich als geizige Stromverbraucherin oder als Landschaftsschützer kurz vor, Fukushima wäre im AKW passiert, dass am nächsten vor Ihrer Haustüre ist. Stellen Sie sich vor, in Schutzanzüge gepackte Menschen holen Sie zu Hause ab, und Sie kehren nie mehr zurück – oder Sie bleiben und verrecken mit der Zeit elendiglich. Stellen Sie sich Ihren Wohnort als Geisterstadt à la Pripyat vor.
Oder stellen Sie sich vor, Sie müssten regelmässig auf Strom verzichten, da wir es versäumt haben, erneuerbare Energien endlich adäquat zu fördern. Stellen Sie sich vor, wir stellen unsere AKWs ab und beziehen stattdessen Atomstrom aus dem Ausland.
Wehren Sie sich immer noch gegen eine höhere Stromrechnung oder ein paar Windräder am Horizont?
Seien wir ehrlich… bei aller Trauer, bei allem Geschocktsein… an sich denken doch viele von uns weit hinten im Kopf und extrem leise: “Zum Glück ist dieser GAU weit, weit weg von uns passiert, aber in einem hochtechnisierten Land. Zum Glück bekommt nun auch jene Generation, die Tschernobyl nicht bewusst erlebt hat, sowas mit, und wendet sich von der Atomkraft mit grosser Wahrscheinlichkeit ab.”
Wieso braucht der Mensch immer einen Unglücksfall, bevor er konsequent reagiert? Die Frage ist sinnlos; es ist einfach eine Realität.
Doch so hatte 1986 auch etwas Gutes. Das Jahr hat viele unserer Generation geprägt und endgültig bewiesen: Was schief gehen kann, geht auch irgendwann mal schief. Für mich 14-Jähriger war das Jahr 86 starker Tobak. Zuerst explodierte die Challenger, dann rührten wir nach Tschernobyl Milchpulver an und mieden Salat, im Herbst flog als Dessert auch noch Schweizerhalle in die Luft. Das prägte unsere Generation (an dieser Stelle sei noch diese Doku empfohlen).
Lasst uns solcherlei diesmal verdammt nochmal nicht so schnell wieder vergessen!
Und um doch noch einen halbwegs angenehmen Schlussstrich zu ziehen – sinnigerweise durften viele Radiostationen im verstrahlten Frühling 1986 einen grossen Hit nicht mehr spielen, weil der Songtitel Assoziationen… aber schauen Sie selbst:
Wenn ich jetzt bei der Energiepolitik nach der Qualität der Songs abstimmen müsste, käme das Resultat falsch heraus.
Wer nicht so ganz auf reisserische Dokus von PRO7 steht, soll sich doch diese, viel besser gemachte Doku über Tschernobyl ansehen.
Sehr schön (wenn man hier von “schön” sprechen darf), danke für den Link.