Vor einem Jahr kritisierte JacoBlök die zunehmende Inanspruchnahme des engen öffentlichen Raums in der Berner Altstadt durch immer mehr Einzelinteressen.
Wie stehts denn inzwischen, rund ein Jahr später?
Nervige Sammler sind vorab an der vielbefahrenen Strecke Kornhausplatz-Waisenhausplatz immer noch anzutreffen; manchmal holen einen die Pro-Weissnichtwas-Mitgliedschaftswerber fast vom Velo. Diese Stände da müssen endlich verschwinden!
Räblus/Pery Bar stuhlt inzwischen so weit raus, dass man mit dem Velo kaum mehr durchkommt. Ist diese Behinderung des Langsamverkehrs bewilligt?
Vorab die Aarbergergasse ist mit dem Velo in einem normalen Tempo schier unpassierbar. Fussgänger reklamieren die Gasse weitgehend für sich; Strassenbeizen belegen fast die Hälfte der Strasse. Unhaltbar, dass es immer noch keine einzige Gasse gibt, durch die man mit dem Velo aus der unteren Altstadt zügig zum HB kommt.
Endlich scheint sich aber etwas zu bewegen: Die Telefonkabinen am Waisenhausplatz – die einen bei der Ausfahrt aus der Aarbergergasse die Sicht auf von links nahenden Verkehr komplett genommen haben – sind endlich am verschwinden:
Und wie der “Bund” am 31. Juli 2008 berichtete, soll die Bewilligungspraxis für Strassenbeizen endlich verschärft werden:
«Mediterranisierung» nennen es Fachleute, wenn hiesige Wirte ein paar Tische und einen Olivenbaum vors Restaurant stellen und ihre Gäste an Sommerabenden so tun wie Italiener. (…) Der Kunde freut sich über das Ambiente, der Wirt über den zusätzlichen Umsatz und die Stadt über die Gebühreneinnahmen.
Dennoch beobachtet man in der Stadt Bern die ungezügelte Mediterranisierung mit wachsender Sorge. Tiefbaudirektorin Regula Rytz (gb) spricht mittlerweile von einer «Übernutzung des öffentlichen Raums» und hat dem Gemeinderat beantragt, die Innenstadt per sofort «zu entrümpeln». Auf ihren Antrag hin hat die Regierung ein Moratorium für Gartenwirtschaften erlassen (…).
Mehr noch: In Spital- und Marktgasse müssen sogar die bestehenden Gartenwirtschaften schliessen. Rytz stützt sich dabei auf die geltende Strassennutzungsverordnung. Danach kann eine Bewilligung verweigert werden, wenn «eine Beeinträchtigung des Verkehrs oder des Stadtbildes zu befürchten ist oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet scheint». Und dies ist nach Meinung von Regula Rytz in der Oberen Altstadt eindeutig der Fall. Die Strassencafés hinderten Passanten am Flanieren und drängten sie auf die Tramgleise ab.
Regula Rytz will das Moratorium in einem grösseren Zusammenhang verstanden wissen: «Wir arbeiten derzeit an einem Nutzungskonzept für den gesamten öffentlichen Raum», sagt sie. Dabei solle geprüft werden, was in Zukunft an Zusatznutzungen in den verschiedenen Gassen und auf den verschiedenen Plätzen möglich sei.
Gratuliere, Regula! Endlich!
Bestrebungen, Beizen auf unbefahrenen Plätzen zu schliessen, finde ich zwar auch nicht besonders nett – es geht vor allem um die engsten Hauptgassen, für VelofahrerInnen vorab um die Aarbergergasse und den Bereich Kornhausplatz. In der Rathaus-, Kram-, Gerechtigkeits- und Spitalgasse stelle ich als täglich dort Passierender kaum Konflikte fest. Grundsätzlich sind aber die Pläne der Stadt sehr zu begrüssen.
Doch was tut ein Offenbar-Nicht-Velofahrer wie der Berner CVPler Henri-Charles Beuchat? Er will dafür sorgen, dass die Pläne der Regirung nicht umgesetzt werden können (aus dem “Bund” vom 2. August 2008):
«Das ist ein Schildbürgerstreich erster Güte», ereifert sich CVP-Parteipräsident Henri-Charles Beuchat. «Einen Bewilligungsstopp und auch die Schliessung von Strassencafés werden wir mit allen Mitteln bekämpfen.» Die CVP werde den Beschluss des Gemeinderats kippen und zu diesem Zweck gleich in der ersten Parlamentssitzung nach der Sommerpause dringliche Vorstösse zum Thema einreichen. Sollten die Vorstösse ihre Wirkung verfehlen, plant die Partei gar eine Anpassung der Reglemente und weiterer gesetzlicher Grundlagen, um eine lebendige Strassenbeizenszene zu erhalten und zu fördern.
Lieber Herr Beuchat: Es gibt in dieser Stadt nicht nur Beizer und Beizenbesuchende – sondern ungleich mehr VelofahrerInnen und FussgängerInnen, die hier leben und sich effizient fortbewegen wollen. Wir Velofahrenden finden Strassenbeizen und mediterranes Flair auch cool, aber sie sollen den Verkehr nicht behindern. Zustände wie in der Aarbergergasse sind nur noch eine Zumtung für FussgängerInnen und VelofahrerInnen!
Auch wenn wir die Belebung der Stadt durch Strassenbeizen grundsätzlich begrüssen: Vielerorts ists inzwischen schlicht zu eng geworden. Sie bekamen den kleinen Finger und wollen nun die ganze Hand – das geht nicht. Hören Sie also umgehend auf mit diesem Mist und torpedieren Sie nicht länger Bestrebungen, die grassierende Übernutzung des öffentlichen Raums endlich einzudämmen!
Sie erweisen den Bürgerinnen und Bürgerin dieser Stadt damit einen schlechten Dienst.
Mehr dazu demnächst in JacoBlök: Wir haben zwei Kamerafahrten durch die Altstadt gemacht und dokumentieren die Velo-Misere in der Altstadt anschaulich in diesem Blog.
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