Nochmals kurz zurück nach London, wo ich im Juni einige Tage verbracht habe und unter anderem auf der Suche nach Songtext-Orten durch die Stadt gewandelt bin. Rainer hat mir übrigens inzwischen eine Liste von bekannten Songs über London geschickt.
Gewohnt habe ich bei Salome in nächster Nähe der Baker Street – welch ein Glücksfall: Die Best-Of-Gerry-Rafferty-CD war eine der Lieblingsplatten meiner Teenagerzeit, “Baker Street” mit dem monumentalen Sax-Solo von Raphael Ravenscroft einer der prägendsten Songs der frühen Kindheit, laut VH1 ein “masterpiece of pop production”, was beinahe untertrieben ist.
Welch ein Privileg, hier fast eine Woche lang täglich zu spazieren und Kaffee zu trinken!
Was ist aus dem “lad in his place with that look on his face” geworden, was ist von der “city desert” übrig geblieben, die Gerry Rafferty erschaudern liess? Hat’s immer noch “so many people”, aber “no soul”? Seit 1978 hat sich die Strasse markant geändert, nur noch eine Ecke aus dem Videoclip lässt sich problemlos identifizieren – die Eröffnungsszene mit dem Blick aus der Porter Street quer über die Baker Street in die Bickenhall Street:
Parkuhren gibt’s leider nicht mehr, als Zeichen der Wirtschaftskrise ist der Laden im unteren Bildteil heute zu verkaufen, und in der Bickenhall St ist in 31 Jahren ein grosser Baum herangewachsen.
Ich liebe es, auf Reisen einfach nur den Alltag aufzusaugen und beim Zeitunglesen Leute zu beobachten. Normalerweise mache ich davon nur Standbilder – bei der Baker Street musste es aber schon ein Video sein; natürlich beginnt es mit der selben Eröffnungsszene wie im Song von Gerry Rafferty (von dem es übrigens – wie sich Fans vielleicht schon lange gefragt haben – tatsächlich eine normale und eine etwas schnellere Version gibt):
Natürlich sei empfohlen, beide Videos parallel laufen zu lassen.
Kalt? Stadtwüste? – Keineswegs. Die Baker Street anno 2009 ist sicher kein Kleinod von Strasse, aber eine authentische Londoner Ecke mit viel Betrieb.
Mehr aktuelle Baker-Street-Eindrücke hier. Und von Gerry Rafferty seien auch “Right Down The Line“, “Get it Right Next Time” und “Night Owl” empfohlen bzw. aus Stealer’s-Wheel-Zeiten “Stuck in The Middle With You“.
Shipyard Town (1988) spielte ich als Teenie selbst gerne am Radio – ein ausgezeichneter Show Opener, leider war’s bestenfalls ein Airplay-Hit.
Jetzt verdrückte ich eben mehr als eine Träne. Erinnerungen kamen hoch: Ich verbrachte einen Winter in London, 20 Jahre ist es her.
An einem der ersten Tage, die Stadt überforderte mich vorerst komplett, fuhr ich mit der Tube zur Baker Street – absichtlich. Ich stöpselte den Walkman auf – und dann: Gerry Rafferty, volle Kanne. Es gibt für mich bloss ein Dutzend Popsongs dieser Qualität wie “Baker Street”. Immer noch.
Wenn mir mein Langzeitgedächtnis keinen Streich spielt, begann ich mich nach diesem langen Walk entlang der Baker Street schnell zu assimilieren.
Ich denke, ich kann angesichts dieser Reaktion getrost zugeben, dass ich auch volle Kanne Bäckerstrasse gehört habe vor Ort – allerdings ab einem iPod 🙂