Sommerferien 1985: Rega, WSO, Oberalpstock und Südfrankreich

Heute vor 40 Jahren stand ich morgens um sieben auf dem Gipfel des Oberalpstocks (Piz Tgietschen, 3328m) – es wird zu 99.99% der höchste Berg in diesem Leben bleiben, den ich je aus eigener Kraft bestiegen habe.

Die Vater-Sohn-Tour war ein Zweitäger: Wir biwakierten am Freitag, 12. Juli 1985, auf einem Schneefeld (vermutlich sogar auf dem längst zu einem kärglichen Eisfeld zusammengeschmolzenen Südwestableger des Brunnifirns Richtung Val Strem)…

… und erreichten am frühen Samstagmorgen über die Fourcla da Strem Sura rasch den Gipfel. Über das Rega-Funkgerät informierten wir die halbe Schweiz über unsere Tour… “Verbindungskontrolle” nannten wir das wohl. Was man damals nicht noch so alles konnte.

Gegen 15 Uhr waren wir wieder in Sedrun – mächtig stolz, ich zumindest… für meinen Vater war es eher ein Aufwärmen für die kommenden beiden Touren in den Anden (Huascarán, 1986) und im Karakorum (Broad Peak, 1987).

Eine Woche vorher checkte Papa auf der gemütlichen Pazolastock-Tomasee-Runde, ob ich für den immerhin nochmals 600m höheren Oberalpstock fit genug war. Man beachte die für Anfang Juli damals normalen Schneemengen:

Zuvor war ich zwei Wochen mit ihm auf der Rega-Basis Untervaz, wo er damals frisch als Notarzt angefangen hatte – für einen 13-jährigen Bub waren es natürlich die absoluten Non-Plus-Ultra-Ferien: mit drei Helikoptertypen fliegen (Alouette III, MBB BK 117, Hughes 500), ab Bad Ragaz mit Cessnas abheben (u.a. mit der HB-CCZ), mit der Besatzung von “November November” funken, auf Anweisung der Crew Hangartore öffnen oder Landelichter einschalten…

… und viele Videoaufnahmen und Fotos machen.

Die Rega flog damals “Contadino”-Einsätze (Bergung von totem oder verletztem Vieh) noch selbst; hier durfte ich jeweils (inoffiziell) mitfliegen, getarnt als Lehrling im Blaumann. Die Piloten flogen für den Jung-Kameramann verrückte Spezialeinlagen und taktisch anmutende Manöver. Heute undenkbar.

In Erinnerung bleibt vor allem der im Video ab 48:40 sichtbare Einsatz bei Davos, der das Journi-Gen in mir weckte: Ein wild gewordener Bauer, auf dessen Wiese wir gemäss Anweisung seines Nachbarn gelandet waren, warf mit seiner Mistgabel Kuhmist in unseren laufenden Rotor. Erst nach einer minutiösen Untersuchung aller Rotorblätter konnten wir weiterfliegen.

Dass ich das alles (samt dem Wüterich) auch noch auf VHS festhalten konnte… geil. (Letzteres Wort war damals übrigens noch weitgehend tabu im Alltag – erst ein Jahr später wurde es dank “Bruce and Bongo” salonfähig.)

Die drei Rega-Flüge habe ich samt Flugroute akribisch dokumentiert:

Im Video zu sehen sind nebst der Aerospatiale SA-319B “Alouette III” der Rega auch die Bölkow 105 “Basler Dybli” HB-XGT (im Video hier), die zum Tanken kam, und die BKK 117 D-HBKK (im Video hier), welche die Rega in den 1980ern als Nachfolger von Alouette und Bo 105 evaluierte.

Eröffnet wurden die Sommerferien aber mit einem Besuch bei der Städeli Lift AG in Oetwil am See – der Patron Himself, Walter Städeli, führte mich herum und servierte bei sich zu Hause ein Mittagessen.

Für den jungen Skilift-Freak war’s natürlich famos, bei einem der führenden Seilbahnhersteller der Welt zu weilen. Mit seiner damaligen Sekretärin Vreni habe ich heute noch Kontakt – schön! Am Ende gab es noch eine Rodelbahntour im Atzmännig, den ich endlich mal für meine Kleinskigebiete-Serie besuchen sollte.

Nach alledem ging es für zwei Wochen nach Südfrankreich. Grossfamilienferien waren angesagt – mit Kumpel Tanner und seiner Familie samt Schwestern und Bruder, der Gotte seines Bruders und ihrem Partner, meinem Onkel … ein wilder, cooler Mix, zumal besagter Onkel mit seinem Golf GTI immer etwas zu schnell unterwegs war und beim Überholen Fluchwörter benutze, die uns Teenies noch streng verboten waren.

Tanner und ich fuhren demnach – wenn immer möglich – in seinem Auto mit und waren eine Viertelstunde vor allen anderen an den Rastplätzen. Er war für uns ein Michael-Knight-artiger Held, den wir als Spiel mit unseren Casio-Digitaluhren zu uns riefen, wenn wir “in Gefahr waren”.

Dass ich 40 Jahre später in einem Medium namens WWW schreiben würde, das damals noch gar nicht erfunden war, dass es dereinst Dinger namens “Smartwatch” geben würde, mit denen man genau dies tun könnte… Science Fiction, unmöglich!

Ja, der kleine Beni vom drittletzten Foto hat inzwischen selbst Söhne, die teils schon auf Instagram anzutreffen sind. Und wo das letzte Bild aufgenommen wurde: Keine Ahnung mehr. Irgend ein schlossartiges Gebilde an einer Steilküste der Côte d’Azur… falls es jemand erkennt, gerne melden.

Zum ersten Mal waren wir damals in der Hinterland-Gegend, wo wir heute noch häufig anzutreffen sind. Das Haus in Tourrettes-sur-Loup, das mein Grossvater uns organisiert hatte, war eine klassische Ungaren-Connection mit einigen Haken: Vermeintlich “gunschtig” (war’s dann doch nicht), für uns Kiddies viel zu weit vom Meer weg, ausserdem war das Haus ein noch in Bau befindliches Nebengebäude. Irgendwie fanden wir’s dennoch super.

Zum ersten Mal badeten wir damals im heute noch oft besuchten Lac de St-Cassien, den wir nur San-Coca-Cola-See nannten, da die kleineren Kids den richtigen Namen nicht aussprechen konnten.

Sonnencreme hatte damals Schutzfaktor 3 bis bestenfalls 5, wie man auf dem Rand eines gescannten Dias sieht:

Tanner und ich riefen durch das offene Autofenster (Klimaanlagen waren damals ebenso eine Seltenheit wie die Katalysatoren, die wegen des Waldsterbens eingeführt wurden) allen am Strassenrand das zu, was wir am besten konnten nach etwa einem Jahr Französisch in der Schule: “Bonjour, asseyez-vous” – also das, was unsere Franz-Lehrerin am Beginn einer Lektion der Klasse sagte, nachdem alle brav aufgestanden und still waren. (Yep, Zucht und Ordnung war damals noch “in”.)

Der Sommer 1985 war aber auch der Sommer der verheerenden Waldbrände in Südostfrankreich – im nahen Tanneron starben fünf pompiers im Feuer, und wir hatten stets frische Asche auf der Terrasse liegen. Das fanden wir reichlich unheimlich.

Am Radio liefen auf den neuen französischen Privatradios, die natürlich 100x cooler waren als unsere langweiligen CH-Sender (interessanterweise hatte ausgerechnet der Sozialist Mitterrand schon 1980 das staatliche Radiomonpol aufgelöst): “Tarzan Boy” von Baltimora, “Live is Life” von Opus, “Captain of Her Heart” von Double, “You Spin me Round” von Dead or Alive, “19” von Paul Hardcastle, “Cold Days, Hot Nights” von Moti Special, “A View To A Kill” von Duran Duran, “Celebrate Youth” von Rick Springfield, die ersten Modern-Talking-Schnulzen oder auch “Don’t You (Forget About Me)” von den Simple Minds usw. usf. – aus solchen Geräten:

Auf einem Musik-Tape vom August 1985 ist sogar noch dieser Sommerferienrückblick von zu finden, der auch die Waldbrände behandelt:

Nach diesen immens abwechslungsreichen Sommerferien besuchte ich in der dritten Sek in Sissach die ersten Latein-Lektionen. “Agricola laborat” und so, genau. Interessant auf dem Bild des Studiosus sind vor allem das damalige Nesquik-Design und das Couvert vom “Fotolabo-Club” mit den frisch entwickelten Sommerferienbildern:

Und irgendwann erschien dann auch der Ferienbericht in unserer Hauszeitung.

 

2 Kommentare

  1. Ich gebe mir Mühe… vor 40 Jahren ging meine krankhafte Dokumentalitis so richtig los – da liegt noch einiges im Estrich herum.

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