Ich habe mir 2001 beim Carven das Bein gebrochen und die Geschichte blogartig (damals sagte man dem nur noch nicht so) niedergeschrieben. Nun ist in einem deutschen Carver-Forum meine Geschichte dergestalt zerpflückt worden, dass ich am Schluss aus einer “alten Skilehrer- und Bergführer-Dynastie aus dem Dorfe Tujetsch” stammte, was definitiv nicht stimmt. Tujetsch ist kein Dorf, und auch wenn man als Nachkomme von Specksteinofenbauern eine Affinität zu Felsen und Bergen nicht von der Hand weisen kann, ist eine “Dynastie” von sportlichen Bergprofis reine Fiktion.
Natürlich waren im Forum bezüglich gewisser Aussagen nicht alle derselben Meinung, und so wurden verschiedene Statements von meiner Website auf die Goldwaage gelegt und man stellte Vermutungen an, was dieses und jenes nun genau heisst.
Kaum hatte ich die Sache in Google gefunden, als ich wieder mal die Website-Referrer in meinen Logs checkte, fühlte ich mich natürlich zu einer Berichtigung genötigt – habe mich aber vor allem gefragt, warum mich die Leute denn nicht einfach direkt anmailten, zumal ich ja offensichtlich als zweite Heimat durchaus locker den Cyberspace angeben könnte und es von Kontaktmöglichkeiten auf jacomet.ch nur so wimmelt.
Einerseits einfach eine amüsante Episode zum Jahresende – andererseits war mir das ganze jedoch auch etwas unheimlich: Klar, das Thema ist nicht besonders intim oder kontrovers, die Wahrheit wurde nur leicht verdreht – und man fühlt sich auch etwas geschmeichelt; ich musste vor allem schmunzeln. Und doch macht man sich, kaum ist man selbst betroffen, automatisch Gedanken zum eigenen Verhalten in Foren oder Blog-Kommentaren. Wie genau nimmt man es selbst mit der Wahrheit? Wieviel Rechercheaufwand steckt man in eine Aussage, die nicht weltbewegend erscheint?
Ich für meinen Teil behalte doch gerne die Kontrolle darüber, was über mich behauptet wird – auch wenn das im Internetzeitalter ein frommer Wunsch ist. Zumindest in diesem Tagi-Artikel von dieser Woche (PDF, 1.4 MB) – damit das auch noch erwähnt ist – durfte ich fleissig nachbessern.
Aus einer Skifahrer- und Bergführer-Dynastie zu stammen, ist zwar schmeichelhaft, aber eben doch unwahr; ich habe den Autor um eine Korrektur gebeten, doch selbst wenn er’s nicht macht, who cares. Hätte aber jemand behauptet, ich sei ein nebenberuflicher Strichjunge mit Vorliebe für Uniformenspiele und Kontakten zur Drogenmafia – was ebenso einfach möglich gewesen wäre – fände ichs wohl weniger lustig.
Alles in allem ein weiteres Kapitel zum Thema “Blogging vs. Journalismus” – auf medienlese.com ist die Diskussion dazu inzwischen übrigens munter weitergegangen. Auch wenn ein Forum kein Blog ist – eine nahe Verwandtschaft lässt sich nicht von der Hand weisen, und hier ist gut sichtbar, was ich in einem Comment schon dargelegt habe: Journalismus heisst in der Regel “double check the facts”. Blogging oder Forenposting heisst oft: “Mal fröhlich drauflosbehaupten, wenns der eigenen These zuträglich ist”.
Forum und Journalismus
Check, Recheck, Doublecheck – When in doubt, leave it out!
In der ganzen Sache auf carving-ski.de hat ein Mensch mit Geografisch näherem Bezug zur Person (Andi Jacomet) die selbe in eine Dynastie verpflanzt um eine persönliche These zu untermauern.
Check – zitierten Text durchgelesen und Entgegnung zur These des Posters geschrieben.
Recheck – einen Überblick über die in die Dynastie erhobene Person verschafft, weder Berg- noch Skidynastie noch Drogenmafiaverdächtig.
Doublecheck – mit einer anderen journalistisch tätigen Person und anderen Forenteilnehmern die These des Erstposters weiter entkräftet.
Fazit – auch in Blogs und Foren gilt – "When in doubt, leave it out!" – vielleicht noch mehr als im Printbereich, denn die Wahrheit die ans Licht kommt (wenn manchmal auch etwas langsam) wird unmittelbar öffentlich.
Eigentlich schade, je länger ich mir das überlege, desto lieber hätte ich, dass das mit der Dynastie wahr wäre… dafür hab ich nun bald den ersten Google-Rank zu "Drogenmafia" und "Andi Jacomet" – das hat man dann davon 🙂
Manche (Ski-)Dynastien inneralpiner Täler und jene aus den Nachfahren von Corleone und Umgebung haben wohl eines gemeinsam – in der Öffentlichkeit wird wenig diskutiert. Kein Wunder wenn der eine oder andere freiere Mensch dann manchmal von Google mit dubiosen Keywords ganz vorne gerankt wird… versucht’s mal mit meinem Vornamen und Ski und Sex …