Warum wirken Sterbehelfer immer leicht strange?

Endlich stellt sich Ludwig Minelli wieder einmal einem Fernsehduell. Die letzten Wochen boykottierte er SF. In der “Arena” dabei war gestern auch Exit-Präsident Hans Wehrli.

Ich würde umgehend einer Sterbehilfeorganisation beitreten, die nicht ständig mit irgendwelchen dubiosen Schlagzeilen von sich reden macht. Minelli und Wehrli wirkten zwar in der Arena nicht so abschreckend, wie sie angesichts der jüngsten Schlagzeilen womöglich wirken müssten. Exit und Dignitas bringen es jedoch immer wieder fertig, sich mit komischen Schlagzeilen ins Abseits zu manövrieren. Irgendwie klebt immer das Etikett “so chli komisch” an Exit und Dignitas. Oder sind es einfach die “bösen Medien”, die das konstruieren?

Medien müssen kritisieren und kontrollieren. Und doch besteht zum Beispiel die Übereinkunft, über Selbstmorde nur sehr zurückhaltend zu berichten. Bei den begleiteten Suiziden hingegen scheint es keinerlei Schranken zu gehen.

Der Grat ist schmal: Dubiositäten aufdecken? Ja. Über jeden neuen begleiteten Suizid berichten? Nein.

Wozu denn? Womöglich ist es nicht im Sinne der Verstorbenen, dass ihr Fall vor der ganzen Bevölkerung ausgebreitet wird. Ich stufe das Recht eines freiwillig aus dem Leben geschiedenen Menschen auf Privatsphäre höher ein als das Recht von irgendwelchen Besserwissern, zu werten, was ein würdiger Tod ist und was nicht. Der jüngste Hype um Sterbebegleitungen ist völlig überzogen.

Eine gesetzliche Reglementierung der Sterbehilfe mag ein guter Ansatz sein. Dann aber bitte auch in den umliegenden Ländern – und nur für jene Fälle, die nicht ohnehin klar sind. Offenbar betrifft die Mehrheit der Sterbebegleitungen eben solche Fälle. Leute, die bei klarem Verstand entscheiden, ob sie leben wollen oder nicht; Fälle, die weit zurück dokumentiert sind. Darum werde ich das Gefühl nicht los, dass die Reglementierungsfreunde womöglich irgendwelches Fundi-Gedankengut und Gesellschaftserziehung in ihrem Sinne im Hinterkopf haben.

Was wir am wenigsten brauchen können, sind irgendwelche Dummschwätzer, die stets besser als die Betroffenen wissen, was gut für sie und alle anderen ist. Wenn jemand mit klarem Geist betont, in einem Auto sterben zu wollen – was spricht dagegen? Allemal besser als in einem Wohnquartier; man kann durchaus eine andere Einstellung zum Sterben haben – Nichtbetroffene haben in diesem sensiblen Bereich das Recht, nicht gegen ihren Willen damit konfrontiert zu werden.

Palliativmedizin? Klar, wer das will, umso besser! Mein Grossvater wählte als gläubiger Mensch diesen Weg. Durchhalten bis zum Schluss. Respekt! Ich denke in diesen Tagen jede Sekunde auf den Olivenbäumen an ihn, die er jetzt an sich abernten würde, wie die letzten Jahre.

Nur: Für mich wäre das Leiden wirklich nichts. – Ein Schlaganfall mit 85 beim Skifahren? Schlafen gehen und einfach nicht mehr aufwachen – einfach dann, wenn für die Natur der Zeitpunkt gekommen ist? Schön wärs! Wenn wir das wählen könnten… und letztlich sind das alles Mutmassungen, ein Haufen Theorie. Die Chancen sind grösser, dass ich irgendwann mal in einer Situation bin, in der ich selbst bestimmen will, wann Schluss ist. Ob ich dannzumal ein Jahr mehr oder weniger lebe, ist für den Lauf der Welt auch nicht besonders relevant.

Vielleicht kann man ja auch einer Überdosis Ethik sterben?

Umso wichtiger, dass das Selbstbestimmungsrecht jeder und jedes Einzelnen respektiert und über alles andere gestellt wird.

3 Kommentare

  1. Womit man meiner Meinung nach anfangen müsste, wäre dem Thema “Sterben und Tod” wieder einen Platz im Alltag einzuräumen. Wir klammern das gerne aus, wollen möglichst nichts davon wissen und verdrängen diese Thematik.

    Solange ein sterbender Mensch etwas ist, wovor man zurückschreckt, werden es sämtliche Organisationen, die sich damit beschäftigen (in welcher Art und Weise auch immer) sehr schwer haben.

  2. Ich habe gerade diesen Text gelesen – und bin zutiefst gerührt. Vermutlich würde ich gleich handeln wie Eduard.

    Einmal mehr empfinde ich es aber als hässlich, wie Kirche und Politik einem ins Privatleben pfuschen und übers eigene Sterben mitentscheiden wollen; über etwas, das privater nicht sein könnte.

    Gut – die Kirchen nehme ich ohnehin nicht ernst, die sollen von mir aus zetern solange sie wollen. Dummerweise haben diese Abergläubigenvereine aber nach wie vor einen grossen Einfluss auf Leben und Politik.

    Wann wird endlich akzeptiert, dass es Menschen gibt, die – aus welchen Gründen auch immer – nach reiflicher Überlegung in Würde sterben wollen, wie im obigen Text beschrieben? Ohne irgendwelchen Gottesmist oder in diesem Moment unerwünschten Theor-Ethik-er-Kram hinterhergerufen zu bekommen?

    PS: Ich zitiere hier mit Wonne die Aussage einer von vielen Personen, die sich auf konfessionsfrei.ch eingetragen hat: “Das, was die Religionen erzählen, ist so offensichtlich dumm, dass ich schon als Kind erstaunt und schockiert war, dass erwachsene Menschen an so was glauben können. Je älter ich werde, desto mehr Beweise dafür sammle, was für eine entsetzliche Gehirnverseuchung Religionen sind.”

    Dem ist nichts hinzuzufügen ausser: Wer in einer Glaubensgemeinschaft glücklich ist, dem/der sei es unbenommen, sich dort ausgiebig zu betätigen. Wer an eine höhere Macht glaubt – nur zu. Er/sie soll einfach den Rest der Welt damit in Ruhe lassen.

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