Ende der 1980er und in den 1990er-Jahren war es hip, in Trailer und Jingles Zitate aus Filmen, völlig themenfremden Interviews oder Hörbüchern einzubauen (ja, das gabs schon damals – einfach auf Cassettli).
Jean-Luc Wicki und ich trieben diese Kunst ziemlich ad absurdum; so erschien in der Ankündigung des Weihnachtsprogrammes 1990 von Radio Raurach plötzlich Pirmin Zurbriggen im dichten Schneetreiben…
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 1.8 MB) |
Ja, das waren noch Radiozeiten vor 20 Jahren: Monster-Telefonwukos und Geschenktauschbörsen als Highlights in einem Festtagsprogramm!
Auch die Jahreshitparde 1990 stand natürlich schon bald an. Das war für uns jeweils der Grossevent; hier gaben wir alles. Für die Jahrescharts 1989 hatten wir sogar ein eigenes Magazin kreiert – “Jingle, das Insidermagazin für Radioleute”. Mit Pamphleten, wie wir uns Radiomachen vorstellen, was gute Musik war und was nicht, den Moderationstexten unseres 1980er-Jahre-Rückblicks, einer etwas pessimistischen Zeitreise ins Jahr 2048 und sogar mit dem Detektiv “Philipp Marroni”.
Bescheiden ist anders! Aber das Radio war unsere grosse Liebe, und das Magazin (von Jean-Luc illustriert) war irgendwie Ausdruck davon. 21 Jahre später ist “Jingle” endlich wieder erhältlich, als PDF-Download (3 MB).
Erstaunlich, wie ich schon mit 18 der geborene Nostalgiker war – und wie Jean-Luc im Text “Radio 2000” voraussagte: “Analoge Technik wird belächelt, es lebe der Mikrochip. Musikcomputer, die aus 600 eingegebenen Titeln 24 Stunden Abwechslung bringen, Sound aus der Konserve. Ist Stimme noch gefragt?”
Damals waren wir jung und wild und wollten es besser machen. Für die “Jahipa” 1990 – ausgestrahlt am am 5. Januar 1991 – stellten wir gleich drei Minihörspiel-Trailer her. Ohne Compi notabene, bewaffnet nur mit zwei Studer-Bandmaschinen, einem CD-Player, zwei Plattenspielern, einem Cassettenplayer und einer Sonifex-Jinglemaschine. Das gab viel Ausschussmaterial und skeptische Blicke des Technikers, der schon wieder zig AGFA-Bandfladen nachbestellen musste…
“Bewaffnet” waren wir im wahrsten Sinne des Wortes, natürlich durfte ein letzter Seitenhieb auf David Haselnuss nicht fehlen, und wir stellten uns vor, wie Archäologen in einigen Tausend Jahren alte Cassetten von 1990 ausgraben – und sogar noch einen Walkman zur Hand haben, um den Fund abzuspielen.
Aber höret selbst…
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 3.6 MB) |
Was (Not Was) mit “Papa Was A Rolling Stone”, Rob’n’Raz feat. Leila K. mit “Got To Get”, Milli Vanillis “Girl I’m Gonna Miss You”, Roxettes “It Must Have Been Love” (in den Winterferien 1990 haben wir uns das Video von “Pretty Woman” extra von Jean-Lucs Mutter per Express nach Sedrun senden lassen…), Snap! mit “Agathe Bauer”, MC Hammer mit “You Can’t Touch This” und natürlich das legendäre “Vogue” von Madonna waren grosse Hits vor 20 Jahren – die Musik begann langsam ein wenig nach Zukunft zu tönen.
Insbesondere Dee Lite mit “Groove is in The Heart” war damals extrem beeindruckend – das hörte sich nun definitiv nicht mehr nach den 80ern an:
Aber dass wir dereinst unsere Tape-Archive in einen Compi einspielen und unsere Jugendsünden am Bildschirm bequem zusammenschneiden und in so ein Dings namens “Internet” kopieren können… das hätten wir damals kaum zu träumen gewagt.
Wenn wir schon im Radioarchiv sind: So tönt ein Moderator im Dezember 1990, der es geniesst, dank etlicher Weihnachtsgeschäft-Best-Ofs in der Hitparade lauter Oldies spielen zu dürfen oder einen Lennon-Special anlässlich des 10. Todestages zu machen. Und wie reagiert man, wenn der Redaktor im Studio allen Ernstes sagt, die neuen Stationssignete gefielen ihm nicht?
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 15.9 MB) |
Und nun eine Baupause einlegen, die Vinyl-Single von “Do They Know it’s Christmas” knistern lassen und noch einen kurzen Werbespot für meine Sammlung der besten Weihnachtssongs machen. Schöne Festtage allerseits.