Seltsam, dass meine Teeniezeit nun schon so lange zurückliegt wie Woodstock für mich als Teenie entfernt war. 1969 und 1989 erscheinen mir doch wesentlich unterschiedlicher als 1989 und 2009.
Aber wie das ein Jugendlicher heute wohl wahrnimmt?
Für einen 17-jährigen Musikfreak mit einem – damals schon – Hang zur Nostalgie war Woodstock natürlich ein Leckerbissen, und so produzierte ich für meinen damaligen Taschengeldgeber Radio Raurach eine Spezialsendung zu “20 Jahre Woodstock”.
Der Sender war soeben von Sissach nach Liestal umgezogen, und im nigelangelneuen Studio hatte es – whow – zwei Studer-CD-Player!
Für mein erstes Special versuchte ich möglichst kompetent und seriös zu tönen (räusper), probierte auch ein paar Feature-Elemente aus. Hier die beiden Einstiegsblöcke der Sendung vom 19. August 1989:
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 2.4 MB) |
Zum Glück war damals gerade eine amerikanische Archäologin bei uns zu Besuch, die anno 1989 neunzehnjährig war – Alice passte natürlich perfekt in die Sendung. Und Jörg, ein anderer Archäologe, der mit mir unter dem selben Dach wohnte und damals sehr lange Haare hatte, gab ebenfalls bereitwillig Auskunft zu 1969:
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 4.3 MB) |
Lokalradiomachen war damals bei vielen Sendern noch ein ziemliches Experimentierfeld – oft fuhren wir mit dem Übertragungswagen raus und sendeten von irgendwelchen Hundsverlocheten, zum Beispiel im Juli 1989 vom Grümpeli Breitenbach. Der heutige Polizeisprecher Meinrad Stöcklin, damals einfach “Meini”, hatte vermutlich die sexieste Stimme des Kantons Baselland – was wohl am exzessiven Zigarettenkonsum lag…
Was lief sonst noch im August 1989? – Auch mein Trailer-Erstling hört sich etwas retromässig an. Wir hatten noch keinen Promo-Jingle für die Hitparade, also setzte ich mich mit einer von Jean-Lucs Alf-Kassetten und einigen Effekt-LPs ins Studio 2 und bastelte ein wenig herum… ja, heute würde man das vermutlich kürzer machen 🙂
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 900 KB) |
Und für alle, die sich wundern, wieso “ohne Hardrock und ohne Heavy Metal” – nun, das passte nicht ins damalige Musikkonzept, also beschloss die Obrigkeit, bestimmte Songs einfach nicht zu spielen (und später dann eine ganz eigene Hitparade zu machen).
Der “Basler Blick”, eine regionale Split-Ausgabe der Boulevard-Zeitung, war am 12. August 1989 nach weniger als einem Jahr den Betrieb ein, wie die BaZ berichtete (JPG, 230 KB). Das “Steinzeit-Survival” des Schweizer Fernsehens war vor genau 20 Jahren die wohl erste Reality-Show aller Zeiten – darüber haben wir bereits vor zwei Jahren geschrieben. Die “Diamant”-Gedenkfeiern (Zeitungsartikel aus der BaZ vom 1. September 1989, JPG, 240 KB) stiessen nicht nur Linken sauer auf – die Diskussionen erinnern frappant an die Leserbriefe rund um das SF-Réduit-Special anno 2009.
Im August 1989 begann es auch in der DDR deutlich sichtbar zu brodeln. Am 27. August 1989 berichtete die “SonntagsZeitung” (JPG, 300 KB) über die Flucht “vor den Errungenschaften des Arbeiter- und Bauernstaates”.
Am 19. August flohen anlässlich des “paneuropäischen Frühstücks” hunderte DDR-Bürger bei Sopron über die ungarisch-österreichische Grenze.
Den Anfang dieser DRS-Nachricht zur DDR (aus den 6-Uhr-News vom 10. August 1989) habe ich leider nicht, aber er lässt sich erahnen. Anschliessend folgen Fussballresultate mit Wettingen und Lugano in der NLA, ein paar Basler Regio-News, unser pompöser News-Jingle und der Anfang des 7-Uhr-DRS-Morgenjournals. Radiomenschen, die gut zuhören, erahnen im Hintergrund ab und zu die Sonifex-Jinglemaschine…
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 8 MB) |
Der Spätsommer 1989 war auch der Erscheinungstermin des neuen 007-Films “Licence to Kill” – an meinem Pult (mit Kater Beni selig an seinem Lieblingsplätzchen) hängte damals die Nebelspalter-Fassung “Licence to Grill”:
Und schliesslich begann damals auch die Lambada-Welle – Salsa war passé, plötzlich wollten die Leute in den Tanzkursen nur noch den Tanz aus Brasilien lernen, wohl primär wegen der leichtbeschürzten Hinterteile auf den Plattencovern. Laut Wikipedia war der Tanz denn auch dafür verantwortlich, dass sich Stringtangas in Europa durchsetzten… wobei die französische Band Kaoma mit Brasilien herzlich wenig zu tun hatte und der Song erst noch geklaut war, die auch die SonntagsZeitung am 15. Oktober 1989 berichtete (JPG, 90 KB) – was soll’s, “Lambada” war der Soundtrack der zu Ende gehenden 80er.
Hier ein Ausschnitt aus der Hitparade vom 19. August 1989 – mit ein paar damaligen Hits (Lambada inklusive) und dem guten alten Verkehrssignet:
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 1.3 MB) |
Dann gabs auch noch so einen seltsamen Stöhn-House-Track namens “French Kiss” von Lil Louis – hier noch etwas Radionostalgie aus der Hitparade vom 23. September 1989:
(Lieber in eigenem Player hören – MP3, 1.9 MB) |
Von der erwähnten Klassenfete, bei der “geschlossen getanzt” wurde, gibts natürlich auch noch Fotos!
Roland (links) war ein Fan der Autopartei, Nicoletta war und ist Künstlerin, Pascal (im gelben Hemd) guckt, dass die Züge fahren, Huk (mit Hut) – keine Ahnung, der Autor (mit Baseballschuhen) schämt sich für seine Kleidung und Christoph (rechts) ist inzwischen Arzt.
Bei Para am Boden: Übernachten in Schlafsäcken.