Vintage-Skifahren, Teil 45: Les Mosses, Lécherette, Leysin

Heute grabe ich einen wunderbaren Skitag in der Westschweiz vor vier Jahren aus, den ich bislang  noch nicht zu einem Bericht verarbeitet habe: am 19. Januar 2017 ging es auf den Col de Mosses – von da aus erreicht man im gleichen Tarifverbund auch das Teilgebiet “La Lécherette” sowie das etwas bekanntere Leysin.

Weshalb erscheint so ein grosses Skigebiet in dieser Serie? – Wegen der urchigen Anlagen! Selten finden man so viele alte Skilifte der drei grossen Hersteller Poma, Städeli und Müller an einem Ort konzentriert wie hier in den Waadtländer Alpen.

Das macht zumindest Les Mosses und La Lécherette auch zum einigermassen coronasicheren Skiort – gab es bis zum Abriss der legendären Müller-Gondel auf den Pic Chaussy immerhin eine geschlossene Anlage, weist das Gebiet heute nur noch Schlepplifte auf. Durchlüftungsgrad 100 Prozent.

Ja, der Pic Chaussy!

Das wär’s gewesen, diese vier Kilometer lange Bahn “alter Schule” auf den Berg rechts im Bild noch zu fahren:

Ein Rückblick: Gerhard Müller Dietlikon (kurz GMD) erbaute in den 1950er- und 1960er-Jahren zahllose Gondelbahnen mit den bekannten Viererkabinen (erwähnenswerte Beispiele sind z.B. die Wasserfallen-Gondelbahn im Baselbiet, die immerhin bis 2006 in Betrieb war, und die ebenfalls längst abgerissene Bahn von Savognin nach Radons).

1963 wurde genau so eine Bahn auf den Pic Chaussy eröffnet, samt 90-Grad-Umlekung beim Lac Lioson. Wegen finanzieller Probleme ging sie 1987 ausser Betrieb, heute steht nur noch die Ex-Talstation als Pistenbully-Garage:

Aber erst 2005 – auf Betreiben der Naturschutzorganisation “Mountain Wilderness” – wurden die meisten Anlagenteile demontiert. Bis dahin war sie unter Seilbahnfreak-Industriearchäologen ein beliebtes Ausflugsziel, wie man es hierzulande nur selten findet (Bericht 1, Bericht 2). Eine detaillierte Reportage mit Bildern vom Zustand 2004 findet man zudem auf bergbahnen.org.

Auch wenn es offenbar vom Pic Chaussy zum Col de Mosses schöne Pisten gab: Auch das, was man heute vorfindet, ist toll. Die vielen breiten Pisten mit einer idealen Neigung sind perfekt zum Carven.

Befinden sich im südlichen Teil des Gebietes vor allem die französischen krach-bumm-rupf-Poma-Stangenschlepper mit teils wunderbaren Konstruktionen…

… geniesst man im nördlichen Abschnitt den Komfort qualitativ hochstehender Bügellifte von WSO (Städeli), zumeist mit den angenehmen und legendären Gehängen des Typs SL-HX…

… und von GMD (Müller):

Eines des Highlights für Liftnostalgiker ist sicherlich dieser “téléski à vendre” in Les Mosses (ein Müller-Konstrukt mit viel Doppelmayr dran), der zweifellos schon bessere Tage gesehen hat:

Der zweite Höhepunkt ist die ungewöhnliche Talstation des Poma-Liftes “Parchet I”:

Sind Poma-Stationen normalerweise ohne Haus gemacht, so wie hier…

… ist diese der Start dieser Anlage (1959 erbaut, 1975 saniert) kultig eingerahmt, beinahe wie eine Kathedrale:

Und dass der Crettex-Lift gar kein Poma, sondern ein Giovanola-Kontrukt ist, dürfte den meisten egal sein; uns natürlich nicht – die Arme der Stützen machen den Hauptunterschied aus:

Mit einer kurzen Skibus-Fahrt kann man ins Skigebiet von Leysin rüber wechseln.

Hier erwartet einen etwas, das es sonst kaum mehr gibt: fix geklemmte, lahme Städeli-Zweiersesselbahnen!

Waren solche Anlagen in den 1970ern und frühern 1980ern in vielen Skigebieten die “Standard-Arbeitstiere” (bequemer als ein Skilift, aber meist langsamer), gelten sie heute als hoffnungslos veraltet; insbesondere bei kaltem Wetter sind diese langsamen Dinger, die neben kuppelbaren 6er-Sesselbahnen völlig aus der Zeit zu fallen scheinen, a pain in the Füdli. Aber das ist schliesslich eine Vintage-Skigebiete-Serie, also geniessen wir diese Doppelsesseli in vollen Zügen.

Wobei: So viele sind es eben gar nicht mehr. Nur noch zwei. Kurz nach unserem Besuch – im Sommer 2017 – wurden die beiden Einzelanlagen von Brion nach Les Fers bzw. Mayen durch eine moderne kuppelbare 4er-Sesselbahn von Garaventa ersetzt.

Die Pisten in Leysin sind etwas coupierter und anspruchsvoller – und, ja, man sieht das Dach Europas, den Mont Blanc. Nette Sache!

Den südlichsten Gebietsteil, nahe Leysin, kann man sich aus lifttechnischer Sicht schenken, alles sehr modern… falsch! Gerade die Sesselbahn “Berneuse” – in der ansprechenden Geländekammer von Aï – ist ein Must für “Städelianer”.

Es war eine der ganz frühen 4er-Sesselbahnen, dazu die erste Bahn mit einer Wechsellast-Rollenbatterie – eine Technologie, die sich später durchsetzte. Das Seil ist zwischen zwei Rollenbatterien eingeklemmt, was die Anzahl nötiger Stützen senkt, was auch dieser Städeli-Publikation anno 1990 zu entnehmen ist (abgebildet ist allerdings eine durch Swoboda realisierte Bahn in Österreich):

Zudem ist der Antrieb im Boden versenkt. Die Berneuse-Bahn ist also ein WSO-Pionierstück, das zwei Jahre vor der Übernahme der Zürcher Oberländer Firma durch Garaventa entstand:

Mehr zu diesem Lift im französischsprachigen Liftforum remontees-mecaniques.net.

Der Hüpfer nach Leysin lohnt sich aber auch wegen der Aussicht auf den Genfersee. Oder was man bei Nebel davon schemenhaft ausmachen kann.

Alle 430 Bilder finden sich in dieser Galerie auf skiliftfotos.ch.

Fazit: Tolle Pisten und geschichtsträchtige Lifte in den Alpes Vaudoises. Sehr zu empfehlen – auch wegen des günstigen Tageskartenpreises von 55 CHF für Erwachsene (Stand Februar 2021).

Das Video des Tages:

 

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