Da der Anzeiger Region Bern nach wie vor das Verzichtsformular für die Zustellung des Anzeigers nicht auf seiner Website anbietet (man darf sich aber dort immer noch über die skandalöse Zwangszustellungsposse beschweren), greifen halt Private ins Geschehen ein.
Das offizielle Verzichtsformular kann hier als PDF heruntergeladen und kostenlos an den Anzeiger-Verlag versandt werden (PDF, 2.3 MB).
Angesichts der Tausenden Stopp-Anzeiger-Kleber in der Stadt Bern ist es ein Affront, was sich der Anzeigerverband, die Post und das Regierungsstatthalteramt Bern hier leisten. Anstatt die bisherige Lösung weiterzuführen – die immerhin 15 Jahre problemlos und ohne grosses Aufsehen funktionierte – und die Stoppkleber zu beachten, verursacht man durch sich widersprechende Auskünfte, Sturheit und KonsumentInnenunfreundlichkeit einen Riesenwirbel.
Kaum kommt die Post (die sich immer mehr als Werbezustellerin der Nation profiliert) als Zustellerin ins Spiel, geht ein Chaos sondergleichen los, und es werden Stunden an wertvoller Zeit verbraten. Höchste Zeit, dass die Politik der Post wieder einmal auf die Finger klopft. Höchste Zeit, dass kantonale und kommunale PolitikerInnen Vorstösse einreichen, um der Anzeigerposse ein Ende zu setzen.
Ich hätte an der Stelle der Verantwortlichen ein extrem schlechtes Gewissen, weiten Teilen des Volkes so etwas anzutun und würde mir eine Entschuldigung überlegen.
Nochmals: Wer den Anzeiger schätzt und in seinem Briefkasten haben möchte, soll ihn haben – wir haben weder etwas gegen die Publikation noch gegen den Verlag oder das Zustellpersonal der Post. Wir anerkennen, dass der Anzeiger von weiten Teilen der Bevölkerung geschätzt und dessen Zustellung ausdrücklich gewünscht wird. Das ist völlig in Ordnung.
Aber: Ist es rechtlich haltbar, ein Blatt, das zu 95% aus Werbung besteht, zwangsweise an alle Haushaltungen zu verteilen und davon auszugehen, dass das Volk dann weiss, was Sache ist? Was ist mit den Menschen ohne Postadresse, ohne Briefkasten? Mit denen, die einige Wochen abwesend sind?
Was ist das für ein antiquiertes Verständnis vom Verhältnis Staat-Bevölkerung?
Und von Verantwortlichen… kein Wort darüber, dass ein zugestellter Anzeiger noch kein gelesener Anzeiger ist. Kein Wort rund um die zunehmende Werbeflut. Kein Wort zum Entsorgungsaufwand. Kein Wort darüber, dass die letzten 15 Jahre zig tausend BewohnerInnen der Stadt auch ohne Anzeiger glücklich waren. Kein Wort darüber, dass man amtliche Mitteilungen auf zwei A4-Blättern zusammenfassen und auf Wunsch hin zustellen, in Beizen auflegen, in offiziellen Kästen aushängen und zum Download bereitstellen könnte (und dann als gelesen voraussetzen).
Kein Wort darüber, dass es vermutlich noch nie einen Fall gab, bei dem jemand wegen eines verpassten Anzeigers einen Rechtsnachteil erlitten hätte.
Dafür aber wütende Bürgerinnen und Bürger, die diese Publikation nicht entsorgen wollen. Anzeiger landen aus Ärger in Postbriefkästen und machen die Arbeit der Pöstler mühsam. Pöstler müssen sich Fluchwörter auf Briefkästen anschauen. (Kommentare und Bilder hier.)
Dabei funktionierte es bisher bestens.
Der Amtsschimmel wieherte weiter und ritt im Galopp nach Seldwyla.
Was andere von der Anzeigerposse halten:
– habi
– chm1 / chm2 / chm3
– borniert.com
– Roland Tschäppeler
– ensuite
Gute News: Auch Reto Widmer hat sich des Themas angenommen und gestern auf DRS3 einen kurzen Beitrag dazu gebracht. In seinem Blog steht noch mehr.
Interessant dazu auch das Gutachten auf der Website des Amtes für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern! Wann wird der alte Anzeigerzopf denn nun endlich abgeschnitten?
Auch “Espresso”, das Konsummagazin von DRS1, hat sich des Themas Anzeiger-Spam am 29. Juni 2009 angenommen (Direkt zum Beitrag gehts hier.)
die Verzichtserklärung (Formular) kann per Email (info@anzeigerbern.ch) beim Anzeiger Region Bern angefordert werden.
danach erhält man eine vorfranktierte Karte zum ausfüllen und unterschreiben.
Unglaublich, aber wahr: 15 Jahre nach den Original-Blogbeiträgen rund um den Anzeiger Bern wird die Publikation tatsächlich endlich doch noch eingestellt. Dass mich der Anzeiger-Chef seinerzeit wegen dieser Beiträge bei meinem damaligen obersten Vorgesetzten (dem Staatsschreiber des Kantons Bern) angeschwärzt hat, entlockt mir heute ein Schmunzeln. Dass mein Boss damals nur meinte “was du privat machst, geht mich nichts an”, finde ich aber immer noch stark.