Der “Bund” ergreift in diesen Tagen allzu deutlich Partei für die Partyszene – nicht nur in diesem Leitartikel. Nun wäre ich der letzte, der sich eine Museums- oder Schlafstadt wünscht.
Aber an die Gegenseite – Menschen, die unter Schlafentzug und anderen Begleiterscheinungen der hochgelobten Locations leiden -, denkt derzeit niemand.
Das ist stossend.
Es müsste doch zumindest erlaubt sein, an die Betroffenen zu denken, ohne gleich – wie auf Facebook geschehen – als Bünzli gedisst zu werden. Liest man aber die Beiträge auf Blogs und sozialen Netzwerken, hat man selbst als Alles-andere-als-Ausgangs-Gegner das Gefühl, von einem Haufen blindwütiger Festbrüder umgeben zu sein, denen es fucking egal ist, was ihre Welt anderen Menschen so einbrockt. Wichtig ist nur ihr eigenes kleines Dings.
Vielleicht hilft dieser Beitrag, sich zumindest ansatzweise in jene zu versetzen, die sich momentan mit einigen Clubs etwas schwer tun.
Ich wurde selbst einst Lärm-Opfer und musste die Wohnung wechseln. Es war zwar kein Fest- oder Musiklokal-Lärm, aber seither weiss ich, dass Schlafentzug durch (vor allem mittels mehr Rücksichtnahme vermeidbaren) Lärm schlicht Folter ist.
Die Symptome umfassten unter anderem Reizbarkeit, nervöses Augenlidzucken (das nur durch Injektionen in die Augenlider halbwegs in den Griff zu bekommen war), latente Müdigkeit und schlechte Laune (mit tollen Folgen für die Stimmung zu Hause). Der Puls schnellte in die Höhe, wenn man eine zeitlang auswärts war und wieder nach Hause musste.
Ich möchte so etwas nie mehr erleben müssen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob der Lärm von trampelnden Erwachsenen, spielenden Kindern, zu lauten Stereoanlagen kommt – oder eine andere familienpolitisch bzw. kulturell wertvolle Quelle hat.
Es ist dann einfach schlicht und ergreifend Lärm.
Und der stört.
Und treibt einen schier die Wände hoch.
Meine zehn Jahre in der unteren Altstadt, Nähe “Sous Soul”, verliefen hingegen problemlos – die nach Hause gehenden Partygänger waren kaum je ein Problem, auch wenn sie mich manchmal weckten, wir waren ein Haus voll ziemlich gemütlicher Leute, Bassisten und Keyboarder bekannter Berner Bands hausten dort, auch ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter Blueser, ein kultiges Szenemagazin der 1990er ward da geboren. Wenn die Kleine mal durch den Innenhof schrie, rief man halt schnell runter “sorry, wet no chli schlafe, chasch zuemache?”, wenn der Bassist morgens um vier meinte, den Bass für seinen Besuch hervorkramen zu müssen, verständigte man sich per Klopfsignal, körperliche Zuneigung bekamen halt ein wenig mehr Menschen mit als geplant… alles kein Problem. Ein wunderbarer Mikrokosmos.
Selbst mit der ollen Fasnacht, die einmal im Jahr stattfindet, den Petarden am 31. Dezember und 1. August oder dem nächtelangen Bummbumm vom Gurten her können sich die meisten irgendwie arrangieren. Auch wenn es irgendwie stossend ist, von einer lärmmachenden Minderheit vertrieben zu werden: Man kann sich die Termine im Kalender markieren und zu diesen Zeiten aus der Stadt verschwinden, sei’s drum. Das sind “Zentrumslasten”, mit denen man leben kann.
Die aktuelle Diskussion handelt jedoch von einer klassischen Übermachtssituation, die fast jedes Weekend (!) wiederkehrt und sich offenbar verschlimmert: Menschen, die sich offenbar derart gestört fühlen, dass sie arge Anfeindungen jener riskieren, die sich etwas mehr zusammennehmen müssten, kämpfen gegen eine immer aggressiver und erpresserischer auftretende Szene.
Grassierendes Überallhinpissen, Scherbenorgien und andere nette Beilagen hatte das Nachtleben vor 10-15 Jahren noch nicht im Standardangebot. Kein Wunder, dass sich Widerstand seitens Anwohnerinnen und Anwohnern regt.
Die selben Leute, die sich z.B. ärgern, wenn mal ein Velo auf dem Trottior fährt, die auf die Barrikaden gehen, wenn das 6er-Tram in den Kurven quietscht oder die sich für Rauchverbote ausgesprochen hatten, da sie sich wie die meisten Menschen vom Rauch belästigt fühlten, setzen sich nun aktiv für die legale Immissionsproduktion ein.
Dabei verwenden sie pikanterweise eine ähnlich seltsame Argumentationsweise wie seinerzeit die Überall-Rauchen-dürfen-Fraktion: “Zu einer Stadt gehört auch laute Kultur”, “die Lokale waren schon vor denen da”, “Musik ist kein Lärm” und dergleichen.
Übersetzt heisst dies: “So lange es nicht mein Spezialgebiet betrifft, ist gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz OK. Wenn’s aber mein Thema betrifft, ist es scheissegal, was andere denken, selbst wenns ihnen echt mies geht. Alle, die nicht so denken wie ich, wollen aus der Stadt ein Ballenberg machen und bekommen einen Tritt ans Schienbein, allen voran der Regierungsstatthalter.”
Die krude Denkweise dieser Fraktion spiegelt sich auch in “Bund”-Kommentaren wider: Eine Frau, die im Spiegel wohnt und deren Garten von Gurtenbesuchern regelmässig vollgeschifft als Abfallhalde missbraucht wird, bezeichnet man als superempfindlich.
Ja, sie jammert vielleicht auf hohem Niveau. Aber möge den Kommentierenden, wenn sie keinen Garten haben, doch auch mal jemand in die Stube kacken oder ein paar Flaschen an die Wohnungstür werfen.
Unfassbar, wie man nicht über den eigenen Horizont hinaus denken kann.
Doch zurück in die Stadt.
Mal abgesehen davon, dass länger Menschen hier leben als es Konzertlokale gibt: Kein Wort davon, dass man halt etwas Kohle für eine wirklich effiziente Isolation in die Hand nehmen muss, wenn man das jahrelang verpennt hat.
Dass man die offensichtlich in letzter Zeit zunehmenden Nettigkeiten des Publikums auf dem Heimweg nicht einfach wie die heuchlerischen Fussballvereine mit “uiii, da können wir dann also im Fall gaaaar nix dafür” entschuldigen kann.
Ich habe überhaupt nichts gegen Clubs wie das Wasserwerk, das Sous Soul oder andere – sie sind mir gar 100x lieber als die Primitivo-Schuppen weiter draussen. Aber offenbar ist die Zeit wirklich gekommen, mal fragen zu dürfen, ob die Clubs da, wo sie heute stehen, am richtigen Ort sind.
Liebe Partygänger, DJs und Kulturbeflissene: Eine Stadt ohne (auch nächtliches) Kulturleben ist keine Stadt, da sind wir uns völlig einig. Gewisse Belastungen müssen Leute, die in der Stadt wohnen, tolerieren.
Aber stellt doch vernünftigerweise zunächst mal das Gemeinwohl möglichst vieler Menschen ins Zentrum eures Denkens, und nicht ausschliesslich die Partikularinteressen derjenigen, die euch zufällig sympathisch sind.
In einer Stadt sollen sich möglichst alle wohl fühlen.
Wenn jemand Stress mit dem hat, was ein anderer tut, dann ist eine vernünftige menschliche Reaktion sicher nicht, den Stressverursacher mit allen Mitteln in Schutz zu nehmen und die Gestressten zwischen den Zeilen als verblendeten, überempfindlichen Haufen zu brandmarken.
Sonst können wir gleich alle Verbote abschaffen und die Begegnunszone wieder in ein 50km/h-Areal verwandeln und wieder mehr Parkplätze in den Gassen schaffen.
Auch ich höre gerne saumässig laut Musik (und ärgere mich z.B. über die limitierte Lautsärke des iPad2). Aber damit gefährde ich nicht die Lebensqualität anderer Menschen.
Gerade jene, die sich sonst für das Wohl der Schwächeren stark machen, sollten mal einen Tag lang den Kopf schräg halten und überlegen, ob ihre Argumentationsketten vielleicht in den letzten Tagen etwas gar hysterisch geworden sind.
Alle, die nun Zeter und Mordio schreien und das Nachtleben zu Grabe getragen sehen, sollten ein paar Wochen lang zu den Zeiten, zu denen sie eigentlich schlafen möchten, wahlweise mit quietschenden Tramrädern oder wummernden Bässen beschallt werden.
Sie können auch gern ein Kreuz bei der kostenlosen Wohlfühl-Spezialoption “bitte 3x pro Woche an die Haustür urinieren” setzen.
Wir warten gespannt auf die Berichte, wie sich ihre Lebensqualität so verändert in dieser Zeit.
Lieber Andi – mit grossem Genuss habe ich deinen Artikel gelesen und wir haben uns in vielem wieder gefunden – wir können dir in vielem nur beipflichten und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los – dass da gehörig manipuliert wird – auch von seitens der Bundjournalisten … von einem Bund erwarte ich tatsächlich mehr Sachlichkeit – aber diejenigen, die Artikel schreiben sind Menschen, die natürlich auch ihre eigene Meinung haben …
Ich habe mir auch schon gedacht, wie es wäre, wenn ich bei denjenigen, die so laut schreien, jeweils am Morgen um sieben an der Haustüre Sturm läuten würde …
Ach übrigens habe ich nun glücklicherweise eine Zusatzverischerung abschliessen können, so dass ich nicht jedesmal bei einer defekten Scheibe tief in mein Portmonee greifen muss .
Danke für deine humorvolle Betrachtungsweise und deine Ernsthaftigkeit. Mit lieben Grüssen Rosmarie
Interessantet Text dem eigentlich nix hinzuzufügen ist.
Bin übrigens auch Bund-Leser.
Übrigens wird hier auch rege diskutiert, falls jemand mitmachen möchte.
Endlich hat auch der “Bund” gemerkt, dass es bei der Problematik nicht nur um Clubbetreiber, sondern auch um von Immissionen in ihrer Lebensqualität massiv betroffene Menschen geht.
In einem online nicht verfügbaren Artikel beschreibt eine Anwohnerin schön meine eigenen Gedanken:
In den erwähnten Facebookgruppen sieht man schön, was das u.a. für Halbschlaue sind, die sich für grenzenlose Beschallung und Grölen/Pisserei/Gekotze einsetzen, ohne über ihren Horizont hinaus zu denken – ein H.H. schreibt:
Immerhin folgt soglich eine Antwort von S.A.:
Auch über geplagte Gurten-Anwohner zieht man schnöde weg in der Gruppe
Bei so viel Stillosigkeit wird mir Angst und Bange.
Aber es geht noch besser! In der FB-Gruppe “Stoppt das Clubsterben” ist zu lesen:
Nun, meine Lieben, dass es genau umgekehrt ist, habt ihr in eurer fanatischen Verblendung vermutlich noch nicht gecheckt. Ich fasse diese Ignoranz nicht und dopple gerne nach:
Alle, die nun Zeter und Mordio schreien und das Nachtleben zu Grabe getragen sehen, sollten ein paar Wochen lang zu den Zeiten, zu denen sie eigentlich schlafen möchten, wahlweise mit quietschenden Tramrädern oder wummernden Bässen beschallt werden. Sie können auch gern ein Kreuz bei der kostenlosen Wohlfühl-Spezialoption “bitte 3x pro Woche an die Haustür urinieren” setzen. Wir warten gespannt auf die Berichte, wie sich ihre Lebensqualität so verändert in dieser Zeit.
Ich finde es tatsächlich sehr schwierig, die unterschiedlichen Bedürfnisse wahrzunehmen – und ich finde es auch schwierig, sachlich zu bleiben – und, um ehrlich zu sein – ich bin auch nicht für FKK (Freie Kotz Kultur)
Doch denke ich, dass die Fronten so verhärtet sind, dass es tatsächlich nicht einfach sein wird – dem Wasserwekr einen würdigen Abgang zu bescheren.
Veränderungen anzunehmen ist nicht jedermanns Sache.
http://www.matte.ch/component/content/article/44-blogmatzte/501-kutur-verhinern-natuerlich-nicht
Die Diskussion erinnert mich schon verdammt an die seltsamen Dispute vor dem Rauchverbot… die Gegenseite will partout nicht begreifen, dass es egal ist, ob der Lärm von Laubbläsern, Flugzeugen, quietschenden Trams, DJs oder Besoffenen kommt – nochmals, es ist für die Betroffenen, die z.B. nicht schlafen können (genau so wie ein Lehrer z.B. Mühe hat, Schule zu geben, wenn der Laubbläser dröhnt) dann einfach schlicht Lärm, punkt – egal, ob er für andere Leute Sinn macht, einen kulturellen Wert hat oder was auch immer.
Das erinnert doch sehr daran, dass gewisse Raucher auch Mühe damit hatten, zu verstehen, dass ihre Zigarette – mit einer zweifellos langen Geschichte in der Menschheit und mit ihrer problemlosen Berechtigung zur richtigen Zeit am richtigen Ort – andere Menschen schlicht stört.
In Facebook musste mir kürzlich wieder einmal einer ans Bein tschutten, als ich fand, seine Beschwerde wegen bestimmten lärmverursachenden Werkzeugen sei nicht sehr glaubwürdig, nachdem ihm ja die Clublärmgeplagten offenbar egal seien.
Mal abgesehen davon, dass ich von einem Mitglied einer Mittelinks-Partei erwarte (was der betreffende Facebooker ist, sogar mit einem Amt), dass er sich bedingungslos auf die Seite der Schwächeren, “Geplagten” stellt anstatt seinen eigenen Zügli zu fahren, kam dann auch noch wieder die alte Leier von wegen “die Beschwerden kommen von Personen, die wussten, wo sie hinziehen.”
Manchmal macht die Besessenheit für ein Thema auch blind – oder sorgt dafür, dass man denkt, es herrsche zweierlei Recht: Eines für Stadtbewohner, die sich alle gefallen lassen müssen, und eines für alle anderen.
Das ist der Ton, den viele draufhaben – soeben hat ein gewisser D.Z. in Facebook auf halbwegs sachliche Aussagen von mir geantwortet: “kurz: wer ruhe haben will zieht aufs land…da stinkts zuweilen…ist aber still…..besser bleibt wo ihr seid so habe ich meine ruhe….”
In der Kommentarspalte der BZ schreibt ein besonders Gescheiter zum Thema “Raumnot in der Stadt?”: “Eine Lösung: Alle Ruhesuchenden ziehen endlich aus den Städten aufs Land, oder zumindest in die Agglomerationen! Somit wären viele Innenstadtwohnungen frei für kulturinteressierte und partylustige junge Menschen. Bars und Clubs könnten dann auch Aussenbereiche betreiben, die Städte würden viel lebendiger, und die lästigen Reklamationen wegen sogenannter Nachtruhestörung hätten endlich ein Ende!”
Mit solchen Menschen (ich wollte zuerst schreiben “dummen Primitivlingen”, aber irgendwie hats mir das wieder gelöscht) hat man’s in dieser Diskussion eben auch zu tun. Was für ein Kraut ist gegen solche spätpubertierenden Wichsköpfe gewachsen?
Eiei, jetzt hab ich mich noch dazu hinreissen lassen, auf deren Niveau zu sinken. Welch Jammer.
“Tanz dich frei 2.0” ist vorbei – und viele meiner Facebook- und Twitterbekanntschaften sind des Lobes voll.
Etwas kurzsichtig.
Ich finde, dass man mit den 10’000 Ego-Fasnächtlern der letzten Nacht ebenso phantasievoll-lustige Dinge tun sollte wie die UNIA mit Fiala und Hutter kürzlich. Man könnte zum Beispiel einen Telefoncomputer so programmieren, dass er in ca. 70 Nächten pro Jahr zwischen 1 und 5 Uhr morgens alle 15 Minuten anruft. Freiwillige vor!
Und dann zieht man auch noch Vergleiche mit 1987 – eine Beleidigung für die AktivistInnen von damals, als es noch um politische Inhalte ging. Heute hingegen hat man das Gefühl, dass alle plötzlich zu quengelnden Teenies zurück mutieren und wie in Trance Dinge fordern, bei denen sie die Konsequenzen tunlichst ausblenden, weil’s ja die Party verderben würde.
Sch’sogeilmonn.
Ich habe keine Lust, mit diesem Strom zu schwimmen, der zwar auf den ersten Blick ganz sympathische Züge trägt. Auch, da er real ist und nicht nur auf dümmlichem clicktivism basiert. Die Leute waren physisch präsent. Und wie. Das ist grundsätzlich mal gut.
Auf den zweiten Blick basieren aber die Forderungen aber auf purem Egoismus, auf dem Mit-Füsse-Treten der Lebensqualität anderer, auf möglichst unbeschränkter Party auf Kosten von Mitmenschen, deren Sorgen konsequent bis primitiv lächerlich gemacht werden.
Mich stört weniger das, was die üblichen Bünzlis in den Kommentarspalten posten: Ich habe im Grundsatz weder ein Problem mit der Reitschule noch mit Steuernzahlen noch mit Stadtnomaden noch mit unbewilligten Demos und wie all die usual targets diverser Pfeifen heissen. An Anlässen wie “Tanz dich frei” wird halt auch eine Menge Müll hinterlassen, wird gesoffen wie die Löcher, herumgepisst und ein wenig gesprayt. Finde ich nicht OK, aber daran hat man sich (leider?) schon fast gewöhnt.
Mich stört nach wie vor die Nonchalance und Arroganz, wie selbstverständlich der öffentliche Raum, der für alle da sein soll, okkupiert und weiterhin eingefordert wird. Mich stört der pure Egoismus, die eigenen Bedürfnisse auf Kosten anderer Durchzusetzen.
Das ist nicht die Form menschlichen Zusammenlebens, wie ich mir sie vorstelle.
Ein, zweimal pro Jahr eine ausgelassene, spontane Stadt-Sommerparty? Mir reicht an sich die Fasnacht im Winter, aber von mir aus, wenn’s sein muss. Doch dummerwesie wollen jene, die Frau Müller zur Autoerotik auffordern, eben noch viel mehr. (Wenn die Figgdis übrigens wirklich geile Siechen wären, hätten sie die Gruppe gleich “Charlotte, du Fotze” getauft, das wäre ehrlicher gewesen.)
Ein gewisser Pierre bringt es hier schön auf den Punkt:
Natürlich sehen ihre Forderungen auf den ersten Blick gut aus. Es geht um coole Clubs, angesagte Bands und den Duft der grossen weiten Welt in der Provinz.
Mir riecht das aber zu sehr nach “ich will”, “ich will”, “ich will” – und alle anderen sollen doch einfach schauen, was sie tun. Eine sachliche Diskussion dazu scheint je länger desto aussichtsloser. (Daran ist zugegebenermassen auch die “Gegenseite” schuld, die offensichtlich sinnlose und realitätsfremde “Wegweisungsbefehle” erlässt.)
Die Forderung nach möglichst unbeschränktem Partymachen ist eine krasse Verletzung eines “Gesellschaftsvertrages”, wie ich ihn mir vorstelle – grob gesagt: Sich so zu verhalten, dass man möglichst viel Spass hat, ohne andere damit wegzudrängen oder gar zu belästigen. Irgendwann sollte man realisiert haben, dass es im Leben nicht nur darum geht, was einem gerade so Spass macht.
Ich werde zwar diesen Monat 40, habe aber nicht das Gefühl, mich als Kompensation benehmen zu müssen wie mit 20. Oder mich bei Jugendlichen anbiedern zu müssen, indem ich so tue, wie wenn möglichst lautes Feiern das einzig seligmachende auf dem Planeten sei und Lebensqualität nur noch von der Möglichkeit, ausgiebig abzufeiern, abhängt.
Im Zusammenhang mit dieser Forderung von Kathrin Bertschy wünsche ich viel Spass mit Entschädigungsklagen von BewohnerInnen der späteren “urbanen Zonen”, denen die Rechte beschnitten werden und die für die Suche nach einer adäquaten Ersatzwohnung und für den Umzug Kohle sehen wollen.
Dieses kindische “Besetzen ganzer Zonen für die Verwirklichung der eigenen Ideen von Freizeitgestaltung” kommt mir vor wie Immobilienhaie, die plötzlich wie Hyänen daherkommen, Häuser mit günstigen Wohnungen luxussanieren und denen es scheissegal ist, ob irgendwelche bedauernswerten Leute nach Jahrzehten in ihrem angestammten Wohnraum plötzlich auf der Strasse stehen.
Stadtbewohner, die in Ruhe pennen wollen? Ach, das sind doch alles alte Wichser! Weg mit denen, damit wir feiern können! Wir finden’s geil, und wer anderer Meinung ist, outen wir als Spiessbürger!
Was auch von vielen SPlern, Grünliberalen und FDPlern gefordert wird, ist weder sozial noch demokratisch noch liberal. Es ist einfach nur hochgradig egomanisch.