Ab 2007 dürfen im Kanton Bern die Läden ihre Türen länger geöffnet lassen. Donnerstag und Freitag bis 20 Uhr, am Samstag bis 17 Uhr – das war der zweifelhafte Deal, den Gewerkschaften und Politik getroffen haben. Anstatt die Öffnungszeiten vollständig zu liberalisieren und die KonsumentInnen endlich selbst entscheiden zu lassen, wann sie einkaufen wollen, liess man sich von der Referndumsdrohung einiger Stur-Linker einschüchtern – was mich erneut dazu bewegen wird, Grüne/GFL statt SP zu wählen.
Nebenbei bemerkt stresst es mich als Liberalgrünwähler, dass mit der Quasi-Fusion von GB und GFL im Kanton Bern nun mühsamgewerkschaftliches Fundi-Gedankengut in die fusionierte Partei fliesst. Immer noch besser als die Lethargie vieler Sozis – doch lassen wir das.
Gut – 20 Uhr statt 18.30 Uhr ist auch nicht schlecht, das gibt sehr viel weniger Stress als bisher.
Doch weit gefehlt! Was tun nun die LadenbesitzerInnen? Sie gehen weiterhin lieber früher heim als die die neue Regelung auszureizen. Unfassbar. Die Innenstadtlobby Bern City fordert die Mitglieder bevormundend auf, die neue Regelung nicht auszuschöpfen und dadurch jene, die gerne etwas länger im Büro bleiben, weiterhin zu stressen.
Stattdessen beschneidet Bern City lieber die Grundrechte und bezeichnet es im “Bund” als “absoluten Witz”, dass Kundgebungen in der Markt- und in der Spitalgasse auch zu Geschäftszeiten möglich sind, wie Regierungsstatthalterin Regula Mader entschieden hat. Bern City nennt sich grosspurig “Organisation für eine lebendige Berner Innenstadt” – Demos gehören offenbar nicht zu einer lebendigen Innenstadt. Das nenn ich wirklich ein superliberales Bekenntnis: Den Mitgliedern vorschreiben, die Öffnungszeiten nicht auszureizen und es der Bevölkerung zu verbieten, ihre Meinung kund zu tun. Uff.
Zurück zu den Öffnungszeiten: Der Grosse Rat einigte sich sogar darauf, die neuen Öffnungszeiten mit flankierenden Massnahmen abzufedern. Ab 2007 gilt der so genannte Normalarbeitsvertrag, der vom Staat erlassen wird. Er hält Minimalstandards für Löhne, Arbeitszeiten usw. fest.
Wie bedeppert aber die neue Regelung ist, zeigt nur schon ein aktueller Streit unter den Berner Gewerblern um den Abendverkauf – Bern City zwängelt auch noch für einheitliche Zeiten, wie heute im “Bund” zu lesen ist. Wäre fast schon lohnenswert, hier das Kartellgesetz zu bemühen. Oder Bern City zumindest die rote Karte wegen KonsumentInnenfeindlichkeit zu zeigen: Lieber mehrheitlich länger einkaufen als alle Läden früher schliessen!
Wie es gehen könnte und sollte, macht uns Deutschland vor. In der Schweiz gemütlich am späten Samstagnachmittag shoppen? Nach dem Ausschlafen am Sonntag in aller Ruhe einen neuen Scanner aussuchen und testen gehen? Fehlanzeige. Die Politik hat lieber weiterhin gestresste Menschenmassen, die um 17 Uhr an der Kasse stehen müssen.
Zu Randzeiten einkaufen ist ja schliesslich sooooowas von abwegig und unbeliebt – 10 Minuten Wartezeit an der Kasse im Bahnhofs-Migros am Sonntagnachmittag (November 2006)
arbeiten Sie selber in einem Geschäft? Oder Ihr Partnerin/Ihr Partner? Schreiben Sie doch einen Artikel darüber, falls dies mal der Fall sein sollte- ansonsten kann ich Kommentare wie den Ihren beim besten Willen nicht ernstnehmen und muss ihn als Frustschub eines gelangweilten Dauershoppers abschreiben-
trotzdem viel Spass für die ach so mickrigen neuen Brocken Shoppingzeit
Genau das liebe ich am stets ach so motivierten Verkaufspersonal: Eine immer vorhandene Freude an der Arbeit und Dienstleistungs- bzw. Kundeinnen- und Kundenorientierung.
Sorry, aber mit so einer Attitüde hätte ich längst bankrott gemacht. Ich bin nicht Dauershopper – aber: ja, frustriert, das bin ich… darüber, dass man mir vorschreibt, dass ich dann einkaufen muss, wenn Shopping automatisch Stress bedeutet – z.B. über den Mittag oder kurz nach Feierabend. Niemand wird in diesem Land gezwungen, bestimmte Berufe auszuüben, bei denen einem die Arbeitszeiten nicht passen.
Es ist übrigens 21.45 Uhr, und ich bin am Arbeiten – Jahresrechnungen schreiben für meine Kunden. Tu ich aber gerne – kein Problem. Sofern mir meine Arbeit nicht passt, raffe ich mich halt auf, bilde mich weiter, lasse mich umschulen, bemühe mich um eine neue Stelle… zum Glück stehen mir in diesem Land verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Ja, ich muss auch an Sonntagen arbeiten – ich habe eigentlich nie so richtig frei, denn meine Kundinnen und Kunden möchten, dass ihre Server auch am Wochenende und nachts laufen. Ob das ein Problem ist? In der Regel nein. Natürlich habe ich manchmal den Anschiss, aber hey – wenn ich das nicht mehr machen will, niemand zwingt mich!
Ein wenig Flexibilität muss heute schon sein… oder wo und in welchem Jahrhundert leben Sie genau? Gewisse Dinge ändern sich im Leben. Man kann dem verschlossen oder offen gegenüber stehen.
Ich habe jedenfalls noch nie Bergbahnmitarbeiter gesehen, die sich ernsthaft darüber beschwert haben, dass sie am Weekend arbeiten müssen – oder jetzt gerade fürs Nachtskifahren Überstunden schieben. Die verdienen übrigens wohl noch weniger als Sie – dass bezüglich Löhnen was gehen muss, da sind wir uns vermutlich einig. Oder kennen Sie einen Barbesitzer, der sich nervt, dass er bis morgens um drei im Spunten stehen muss? Einen Lokführer, der sich weigert, Nachtzüge zu chauffieren?
Weshalb wollen ausgerechnet grosse Teile des Verkaufspersonals immer wieder Rosinen picken auf dem Buckel der einkaufenden Mehrheit, für die Einkaufen auch ein Freizeiterlebnis ist?
Eigentlich dachte ich, dass Blogs ernst zu nehmende Foren sind. Was Sie da vor sich hin blöken geht nicht mal mehr unter Unterhaltung. Es ist schlicht blök.
Wertes malheur! Vielen Dank für Ihren Ihren intelligenten und gehaltvollen Kommentar, der die Blogwelt um einiges ernst zu nehmender macht! Wenn Sie das nächste mal vielleicht ein wenig (nur gaaanz wenig) mehr Inhalt in Ihre Aussage bringen könnten, sind Ihnen die geneigten Leserinnen und Leser sicher dankbar. Vielleicht sind Blogs nicht so Ihre Welt, da manchmal Meinungen durchschimmern, die Ihnen nicht passen, und es Ihnen schwer fällt, in adäquater Weise darauf zu reagieren. Lesen Sie doch lieber ein gutes Buch. Das schont auch Ihre Nerven.
gibs ne andi, bi uf dire site…
ha eigentlech nume wöue hallo säge, nachdäm ig per google uf dim blog glandet bi (u ersch de no ufemne spanende bitrag).
gruss
dominik
Ah, schau mal an – nette Überraschung für die ach so motivierten Angestellten, die hier ab und zu ihren Frust rauslassen: Hoffentlich passiert euch das nie…
Hallo Andi, Du schreibst von den vielen Vorteilen, die verlängerte Öffnungszeiten bringen. Und damit hast Du auch Recht; natürlich nervt es, wenn man unter der Woche am Mittag oder kurz nach der Arbeit einkaufen gehen muss, anstatt 21 Uhr, wie in Deutschland vielerorts. Allerdings gibt es hier auch eine andere Seite: Ich bin mit langen Öffnungszeiten aufgewachsen und finde es hier wesentlich entspannter. Nicht direkt, was das Einkaufen angeht, sondern in Gänze. Durch die kürzeren Öffnungszeiten hat man (zwangsweise) ab 18/19 Uhr Zeit für die Familie, für sich selber oder wen auch immer. Der Arbeitstag ist dann wirklich abgeschlossen und man kann den Abend entspannt angehen. Diese Entspanntheit empfinde ich (bei dauerhafter Anwendung) als wesentlich wichtiger und angenehmer, als die Möglichkeit bis 21 Uhr einkaufen zu gehen. Oder auch am Sonntag. Da kann man aber wirklich aller x Wochen einen verkaufsoffenen Sonntag machen – so wie in Deutschland (wo die wenigsten Läden wirklich sonntags offen haben).
Auch ich schätze es, “einfach dann mal frei zu haben”. Allerdings wäre ich insgesamt viel entspannter, wenn ich in einem Projekt vertieft bin und um 22 Uhr noch auf dem Heimweg den Grosseinkauf machen könnte statt vor 19 Uhr raus zu stressen, alles irgendwo zwischenzulagern und dann später heim zu radeln.
Arbeitszeiten, Gewohnheiten und Bedürfnisse ändern sich.
Kinder siezen ihre Eltern auch nicht mehr wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten. Man hat heute MP3-Player statt Cassetten-Walkmen. Die Welt individualisiert sich – ich kann z.B. heute als Freelancer endlich bis 3 Uhr morgens arbeiten und erst um 10 Uhr aufstehen und bin in Notfällen über eine Pikettnummer doch aufzuwecken. Ich schätze diese Freiheiten.
Für mich ist “wahrhaft freie Zeit” und “unbeschwerter Genuss” nicht an bestimmte Tageszeiten gebunden, sondern soll im Idealfall dann stattfinden, wenn’s einem drum ist, egal ob Sonntag oder Montag, egal ob 11 Uhr, 22 Uhr oder 4 Uhr.
Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, in den Städten ausserhalb der Schweiz, wo ich nachts in Geschäften war, wahnsinnig deprimierte Leute hinter der Kasse zu treffen. Und alle, die dann einkauften, schienen froh um die Möglichkeit zu sein. DAS ist Entspanntheit – zu wissen, dass man alle Möglichkeiten dann hat, wenn man gerade will.
Das geht dann nicht mal auf Kosten anderer – ich bin überzeugt, dass man genügend Freiwillige findet, die zu für manche Leute “ungewöhnlichen” Zeiten arbeiten. Es sollen ja auch nicht sämtliche Geschäfte 24 Stunden geöffnet sein. Aber jene, die das wollen, sollen ihre Geschäfte dann offen lassen können, wann immer sie wollen – ohne Vorschriften.
Von mir aus kann man für das Personal gern den Kompromiss eingehen, dass man sich vorerst “an der breiten Masse” ausrichtet, die einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus lebt und niemanden zwingt, seine 8-Stunden-Schicht nachts zu schieben. Aber es gehört zu einem gewissen Dienstleistungsverständnis, dass man bereit ist, seine Dienste 24/7 anzubieten.
Selbst für mich als links eingestellte Person mit starker Tendenz zur Anhebung von Mindestlöhnen und starken Arbeitnehmerrechten finde ich nicht, dass der Staat das Recht haben soll, vorzuschreiben, wann jemand sein Geschäft öffnet. Ein Schutz vor “unangenehmen” Arbeitszeiten vor allem für Leute mit Familie: Klar! Gute Löhne: Logo!
Man wird das zunehmende Streben nach einer völligen Freiheit, was man wann tut, nicht künstlich aufhalten können, da sollten wir realistisch sein.
Das Personal von Betrieben, die auch oder primär abends oder übers Weekend funktionieren (müssen) wie Kinos, Rundfunk oder Bergbahnen arbeitet auch zu Zeiten, zu denen sich andere erholen oder vergnügen – die Angestellten haben diese Möglichkeit dann eben zu anderen Tagen oder Zeiten.