Kundendienst in der Berner Altstadt: Man hats nicht nötig

Dienstag, 18.33 Uhr – ich möchte nach dem Arbeiten noch kurz die Agenda 2008 kaufen. Die neuen Ladenöffnungszeiten im Kanton Bern sollten das problemlos erlauben, auch wenn die meisten Berner Geschäfte etwas lethargisch sind und Montag bis Mittwoch nur bis 19 Uhr geöffnet haben.

Doch die Papeterie Kollbrunner leistet sich die unterste Kundendienst-Schublade: An diesen Tagen schliesst man weiterhin fröhlich um 18.30 Uhr. Nach dem Motto: War schliesslich schon immer so, und wir habens nicht nötig. Da tönt das Geplärre vieler Berner Altstadtgeschäftsinhaber, dass die ach so schlimmen Verkehrsbeschränkungen dem Business schaden, gleich noch eine Spur seltsamer als eh schon.

Die Mitarbeiterin, welche die Tür bewachte, schnauzte zur Aussage, das sei jetzt nicht eben kundenfreundlich, mürrisch “ja, einen schönen Abend” und drehte sich ab. Nett!

Den Altstadtleisten und Gewerbeverbänden sei ans Herz gelegt, ihren Mitgliedern beizubringen, was guter Kundendienst im Jahre 2007 bedeuten könnte.

Die Agenda hab ich schliesslich fünf Minuten später im Loeb gekauft. Da fiel mir auf, dass ich noch Klebeetiketten brauche – auch nicht gerade billig. Sorry, Kollbrunners – diesen Umsatz machen bei so einer vorgestrigen Attitüde halt andere. Und ich denke, ich habe ab sofort eine andere Stammpapeterie.

12 Kommentare

  1. Hallo!

    Tut mir leid, da muss ich dir also völlig wiedersprechen! Ich finde es gut, dass die Geschäfte nur bis 18.30 Uhr geöffnet haben – alles andere wäre blödsinnig. Respekt für Geschäfte, die sich trauen, beim alten Model zu bleiben; oder dazu zurückkehren (ja das gibts auch; z.B. Beldona)
    Viele glauben, der Umsatz würde sich steigern, wenn man länger offen hat. Das stimmt aber nicht, es gibt lediglich eine Umverteilung. Früher war von 18.00 bis 18.30 der Laden voll, in Zukunft wird es von 18:30 bis 19:00 Uhr sein. Um 17 Uhr ist dann dafür tote Hose.

    Das lohnt sich einfach nicht.

    Einzig die Supermärkte werden im Konkurenzdruck nachziehen müssen. Arme Leute, die in den USA bereits 24h am Tag arbeiten!

  2. Das ist eben der grosse Irrtum: Es arbeitet niemand 24 Stunden am Tag. Es gibt genügend Leute, die gerne zu Zeiten arbeiten, die Altmodische als “Unzeiten” bezeichnen. Für mich gehts auch nicht primär um den Umsatz, sondern um den Kundendienst. Das gehört heute einfach dazu – früher (lieber) oder später müssen die Ladenöffnungszeiten ohnehin vollständig liberalisiert werden. Alles andere ist vorgestrig.

  3. Würdest Du abends bis um 23 Uhr arbeiten?

    Klar, eine liberalisierung wäre an der Zeit, aber gerade die Arbeitnehmer leiden darunter. Viele werden dazu gewungen; oder sie müssen kündigen – viele haben es aber zu schwer einen anderen Job zu finden.

  4. LOL… natürlich arbeite ich abends um 23 Uhr – was denn sonst… wobei das noch heilig ist, meistens wirds so 2-3 Uhr morgens, und um 9 gehts weiter. Ich will ja, dass meine kleine Bude läuft… und mal vom Verkauf abstrahiert: Immer mehr Arbeitgeber sehen ein, dass man diese ollen Blockzeiten fallen lässt und die Leute dann arbeiten lässt, wann sie wollen. Hauptsache, sie sind erreichbar (Skype, Handy usw. gibts ja nicht erst seit gestern).

    Wenn ich länger Ferien habe, muss ich stets Handy und Laptop mitnehmen – falls ein Kunde was will oder es eine grössere Panne gibt. Ich hab schon so manches Kundenproblem auf dem Sessellift gelöst. Macht Freude: Einem Menschen aus der Patsche helfen und auf zur nächsten Abfahrt! Zugegeben: Diesen Zustand finde ich manchmal auch nicht sooo cool. Aber ich kann mir ja einen neuen Job suchen, wenn mir das nicht mehr zusagt.

    Man muss sich halt ein wenig umgewöhnen – zugegeben, ich habs mit einem Internetjob einfacher, für den ich fast überall arbeiten kann, doch entweder passt man sich den Kundenbedürfnissen an oder geht halt unter. Ich bin überzeugt davon, dass sich viele finden, die gerne abends auch etwas länger Arbeiten. Das ewige Geklöne von Teilen des Verkaufsprsonals nervt – wie wenn die Merheit der Bevölkerung im Verkauf arbeiten würde. Wer so einen Job annimmt, muss doch einfach damit rechnen, auch dann für andere da sein zu müssen, wenn man vielleicht keine Lust hat. Das WEISS man, wenn man eine Lehre in diesem Bereich macht oder eine entsprechende Stelle antritt. Wenn man ein so kleines Dienstleistungs-Ethos hat, ist man da vielleicht einfach am falschen Ort?

    Mich zwingt auch niemand, einen Job anzunehmen, bei dem man morgens um 3 aufstehen muss – ja, ich hab sogar mal einen sehr, sehr guten Job (Traumjob!) abgelehnt, mitunter deswegen.

    Da halt ichs mit meinem damals schon alten Sek-Mathelehrer: Lifere statt lafere. Damals nervte mich das, heute sehe ich, dass das schon was Wahres hat. Bei jeder kleinen Änderung im Leben schreit man grad “oooh, wir sind sooo arm”… das kanns ja nicht sein.

    Veränderungen sind als Chance zu betrachten – ich kenne auch jemanden, bei dem gibts in der Bude massive Umstellungen, neue Anforderungen an die Stellen, bestehende Arbeitnehmer müssen sich quasi auf neue Stellenprofile neu bewerben. Das ist doch cool, das eröffnet doch neue Perspektiven!

    Wir sind uns aber einig, dass es keine “Ausbeutung” und Zwang geben darf – dafür gibts ja aber im Kanton Bern den Normalarbeitsvertrag, doch das stand alles schon hier.

  5. Gute Antwort!

    “Wir” Informatiker haben natürlich auch einen etwas anderen Bezug zur Arbeit, wenn es nur gelegentlich ist, arbeite ich gerne mal nachts – das hat auch seine Vorzüge. Gerade wenn man es sich zuhause gemütlich machen kann. Und wir machen unsere Arbeit eher “gerne” (Hobby), wo bei anderen Berufen das arbeiten hart und nicht unbedingt aufmunternd ist.

    Da gebe ich dir recht, man sollte sich dessen bewusst sein, wenn man eine neue Stelle antritt. Wer seit 10 Jahren im selben Geschäft arbeitet hat damals (vielleicht?) noch nicht damit gerechnet.

    Jedenfalls eine Spannende Diskussion.

    Ich bin aber trotzdem der Meinung: Wer sich seinen Einkauf nicht planen kann; und um 22 Uhr noch Butter oder Chips braucht, der soll ins Apero gehen und 50% mehr bezahlen als im Migros. Alle Coop & Migros Filialen auf 22 Uhr aufzurüsten fände ich dann voll daneben.

    Na dann: Happy Shopping!

  6. Niemand ist gezwungen, eine Arbeit zu machen, die ihm nicht Spass macht. All die Griesgräme und Leute, die nicht genau dann arbeiten wollen, wann sie die letzten 20 Jahre gearbeitet haben, müssen halt damit rechnen, dass sie früher oder später flexibleren Leuten Platz machen müssen.

    Das mit dem “Hobby” ist so halb richtig – mir macht meine Arbeit Spass, aber als Hobby würde ichs dann auch nicht grad bezeichnen. Oftmals würde ich lieber auch einfach Skifahren gehen oder so und muss dann trotzdem arbeiten (oder halt nach dem Skifahren). Im Lotto gewinnen und nur noch das machen, was Spass macht (natürlich auch Arbeiten) wäre eben schon cool…

    Zur Einkaufsplanung: Das ist je der Witz – die Läden sind eben dazu da, sich so zu verhalten, dass man nicht die ganze Zeit planen und denken muss, dass mach ich sonst schon genug. Wieso soll ich für die selbe Ware um 23 Uhr mehr bezahlen, wenn sie genau gleich beschaffen ist wie um 16 Uhr? Leuchtet mir nicht ein.

  7. Lieber Blöker, ich als “Verkäufer” in einem Geschäft in der Nähe des Zytglogge das immer noch um 18.30 Uhr schliesst, kann zu deinem Textchen nur eines sagen: Es gibt immer Leute, die die Kundenfreundlichkeit des Verkaufspersonal missbrauchen und grundsätzlich kurz vor Ladenschluss auftauchen und dringend noch etwas kaufen müssen … ob jetzt 2 Minuten vor 19 Uhr oder 2 Minuten vor 18.30 Uhr!

    Längere Öffnungszeiten erhöhen übrigens den Umsatz nicht … Längere Öffnungszeiten braucht aber mehr Personal und mehr Personal bedeutet entweder Ausnützung des Personals zu niedrigen Löhnen oder teuere Ware!

  8. Leute die so denken das Läden länger offen bleiben müssen, können mir nur leid tun.Warscheinlich haben sie keine Familie oder Freunde zu denen sie am Abend nach Hause können.Darum müssen sie noch nach 18:30 Uhr einkaufen gehen. Es ist ein ziemlich Egoistisches Denken. Hauptsache man kann noch seine Klebeetiketten nach 18:30 Uhr kaufen. Aber dass das Verkaufspersonal auch ein Privatleben hat und auch mal Feierabend will, beachten solche Leute nicht.Ausserdem muss ich den anderen 2 recht geben, der Umsatz erhöt sich nicht.Und genau solche Leute die so denken (Blöker) rennen noch 2 min vor Ladenschliessung durch dir Tür. Ob es nun kurz vor 18:30 Uhr, 19 Uhr oder wie ja anscheinend gewünscht kurz vor 24 Uhr!!!¨

  9. @Daniel / browny: Ihr seid sowas von von gestern – es geht ja eben NICHT um die Umsatzerhöhung, sondern um sich wandelnde Kundenbedürfnisse und KUNDENDEINST. Da ihr dieses Wort nicht zu kennen scheint, sucht euch doch einfach einen anderen Job. Vermutlich behandelt ihr Eure Kunden auch dementsprechend?!

    Was ist so verwerflich dran, kurz vor Ladenschluss in einen Laden zu kommen? Wenns 19 Uhr heisst, habt Ihr gefälligst um 18.59 Uhr genau gleich nett zu sein wie um 13.48 Uhr! Das ist Euer verdammter Job!

    Wo lebt Ihr denn? In einem Land, wo alle nur auf das ach so arme Verkaufspersonal Rücksicht nehmen? – Wenn mir ein Kunde um 23 Uhr von einem Serverproblem berichtet, dann antworte ich dem auch noch, und nicht erst zu den Bürozeiten. Wenn jemand am Wochenende eine wichtige Frage zu seinem Webauftritt hat, nehme ich auch auf dem Skilift das Telefon ab und düse in die nächste Beiz an einen PC, um notfalls zu helfen.

    Nochmals: Das nenn ich eben Kundendienst – mit Eurer Attitüde hätte ich längst pleite gemacht.

    Was ist mit anderen Leuten, die zu Zeiten arbeiten müssen, die Euch sooooo schlimm vorkommen? Lokführer, Kondukteure? Bergbahnpersonal (Samstag/Sonntag, saisonal)? ZeitungsverträgerInnen? Undsoweiter… Klönen die auch so wie Ihr? Nein, eben nicht.

    Also: Lifere statt lafere.
    Willkommen im 21. Jahrhundert.

  10. Kürzlich habe ich zu diesem Thema auch diesen Text aus dem Tagi-Magi 37/2007 wieder entdeckt. Passt herrlich zu Schlafmützen wie browny, die das Gefühl haben, wenn man um 19.30 einkaufen will, sei man einsam oder habe keine Familie. Ein Ausschnitt:

    Die charmante Höflichkeit im Verkaufsgespräch, wie man sie etwa in Spanien oder in England erlebt, ist bei uns eine Seltenheit. Jeder Sonderwunsch scheint das öfters schlecht gelaunte oder uninspirierte Personal zu überfordern. Wer einkauft, fühlt sich zwangsläufig wie ein Bittsteller, weniger wie ein Kunde oder gar Auftraggeber. (…) Es gibt viele Gründe für dieses Manko, ein kleiner Lohn sowie wenig attraktive Arbeitsbedingungen gehören sicher dazu. (…) Und dann gibt es natürlich nicht wenig Verkäufer, die schlicht im falschen Beruf sind und besser als Gefängnisaufseher Karriere hätten machen sollen. (…) Einer der wichtigsten Gründe für die Frustration des Verkaufspersonals liegt jedoch, so muss man vermuten, an mangelndem Selbstvertrauen – an Mangel an dem, was man früher als Berufsstolz bezeichnet hat.

  11. Lieber browny

    Ich habe eine Familie mit Frau und Kindern und verbringe unheimlich gerne meine Zeit mit ihnen. Doch beispielsweise diese Woche musste ich an zwei Tagen so lange arbeiten, dass es mir nicht mehr für die normalen Öffnungszeiten reichte und ich musste schliesslich – nachdem ich am ersten Abend notgedrungen auf Einkaufen verzichten musste – am zweiten Abend in den Migros am Berner Bahnhof. Jetzt kommt dann sicher die Frage, weshalb denn nicht meine Frau einkaufen ging: Nun, es gibt Familiengrössen, die einen Gang in die Migros beispielsweise verunmöglichen.

    Lass Dir zudem gesagt sein: Ich arbeite seit Jahren in verschiedenen Jobs auch gelegentlich an Abenden, Wochenenden und Feiertagen. Das schadet nicht und die geleistete Arbeitszeit lässt sich an anderen Tagen wieder einziehen. Zudem gibt es Leute, die sind darauf angewiesen, dass sie gerade am Abend oder am Wochenende arbeiten können, beispielsweise Studierende, Familien, welche mit einem Einkommen nicht auskommen etc. Schau einfach einmal über den Tellerrand und sei flexibler im Denken.

  12. Ich habe mehrere Jahre in Zürich gelebt – dort sind die Läden bis 20 Uhr geöffnet. Für mich war es ein Schock, dass in Bern bezüglich Ladenöffnungszeiten noch Steinzeit herrscht.

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