Der aufmerksam durchs Leben wandelnde Mensch fragt sich ja bisweilen: Werden wir dieses und jenes in 20, 30 Jahren nicht aus grässlich finden? Genau so wie wir heute die Haarmode von 1976 für relativ skurril halten? Oder über die Knochenhandys von 1989 lachen?
Wenn man ein altes Haus auf Vordermann bringt, begegnen einem viele Sünden aus der grauen Vorzeit. Diese Teppiche (laut dem Bodenleger unseres Vertrauens sogenannter “Österreicherfilz”) aus den frühen 1970ern sind zwar fast schon wieder kultig…
… aber ein schöner Parkettboden (geräucherte Eiche) ist dann doch angenehmer. Doch da höre ich schon die Sirene des Raumschiffs Enterprise aus der Frühzeit dieses Teppichs – und Captain Kirk rufen: “Alarmstufe rot! Mister Spock auf die Brücke!” – Täfer raus, Parkett rein… werden wir uns in 25 Jahren nicht tierisch drüber aufregen über diese Stilverirrung, die uns heute so normal vorkommt?
Klar gehe ich nicht davon aus, dass man sich alles unter diesen Vorzeichen hundertmal überlegen soll. Man muss sich nach den jeweils geltenden Massstäben der Gegenwart wohlfühlen.
Doch manchmal frage ich mich schon: “Wie konnte man nur?” – Ganz sicher würde ich gerne mit dem Verursacher dieser Sünde der bekannteren Sorte ein Hühnchen rupfen, die beinahe bausubstanzzerstörend gewesen wäre bzw. es vielerorts auch ist.
Wer zum Henker kam auf die Idee, dass man schöne Parkettböden mit einem Spamteppich… pardon, Spannteppich überklebt? Ja, KLEBT – nicht etwa bloss verlegt.
Und zwar so klebt, dass man danach weissnichtwas für Mitteli braucht, um den vertrockneten Kleber wieder loszuwerden. Und trotz Mundschutz tonnenweise dieses gesunden Staubs einatmet…
… Kunststoff, der im Laufe der Jahre total zerbröselt ist.
War das einfach hip damals? Gings um Schallschutz? Ich erinnere mich sogar, dass ich zusammen mit meinen Eltern – die stilistisch sonst über jeden Zweifel erhaben sind – in den frühen 80ern noch Spanntappiche auf Parkett klebte. Wie konnten wir bloss?! “Das machte man dann halt einfach so.” – Paahh!
So waren wir denn gestern “high on Lösin 100” – damit bringt man die Klebstoffresten relativ gut weg, ohne die Versiegelung des Parkettbodens anzugreifen. Man nehme dazu einen Ski-Schaber aus Plexiglas (das Ding, um überschüssigen Wachs vom Belag zu kratzen), ein paar lösemittelbeständige Handschuhe, einen Stoff-Knieschoner für Gartenarbeiten, etwa 100 Rollen Haushaltpapier und wenig Angst vor Krämpfen und Schmerzen in der Hand. Und los gehts.
Doch wir lassen Gnade vor Recht walten: Immerhin waren die Staubfänger nur am Rand verklebt. Es hätte weitaus schlimmer sein können.
Trotzdem – dies ist der einzig würdige Ort für zu verklebende Spannteppiche:
Mögen sie in der Hölle schmoren.
und dann sehe ich noch eine weitere 70er Sünde: Täfer, Täfer und nochmals Täfer. Ich musste übrigens in unserem Haus tagelang die geplagten Wände und Decken von diesem Unrat befreien…
Diesen Täfer aus der grauen Vorzeit finde ich nicht mal so schlimm – als halber Bündner halte ich Holz für einen ganz schönen Werkstoff. Der 70er-Täfer im Schlafzimmer kommt dann aber weg, das sieht billig aus. Im Arbeitszimmer lass ichs mal auf gut Glück – kann man später immer noch machen, wenns einem auf den Keks geht. Aber ein Chalet darf schon auch ein wenig nach Chalet aussehen.