Kein Bedarf nach Abruf von Daten, Texten, Bildern und Programmen

Aus aktuellem Anlass: Als Elvis starb, war ich fünf – ich erinnere mich noch, wie wir in Sedrun auf Piz Muraun mit Stern wie im August 1977 - hier allerdings eine Winteraufnahme vom Januar 2006der Treppe des Hauses meiner Grossmutter standen und ich erstmals zur Kenntnis nehmen musste, dass Menschen sterben. Das war etwas sehr Abstraktes. Wohl zur Vereinfachung sagte mir mein Vater, Elvis sei jetzt vielleicht bei diesem Stern da hinten… über dem Piz Muraun, hinter dem Kirchturm, glitzerte ein Planet in der Abenddämmerung. Die Szene hat sich mir bis heute als eine der ersten bewussten Kindheitserinnerungen eingeprägt. Dabei hörte ich schon damals lieber Beatles (wiool liw ine jellosammariin).

Zur selben Zeit – und davon will ich hier eigentlich erzählen – kamen die ersten Videorecorder auf. Die Ungetüme kosteten ein Vermögen – mein gadgetliebender Onkel stellte früh ein Gerät des Systems “Beta” in die Stube. Vier Jahre später gabs das revolutionäre System “Video 2000” von Philips:

Werbung für den Philips VR2020 (Video VIS 5/1981) - Klicken für grosse Fassung

Ja, genau: Ich hab auf dem Estrich wieder mal was gefunden.

Eine Reihe Hefte von 1980-1982, Perlen für jeden 80er-Fan! Diese Ausschnitte stammen aus dem Magazin “VIDEO VIS”, Nummer 5/1981.

VIDEO VIS, Titelseite Heft 5/1981 (Klicken für grössere Fassung)

Darin sind Perlen zu lesen wie: “Die Informationsmenge auf Datenträgern ist rapide angestiegen. (…) Die klassischen Geräte wie Telefon und Fernschreiber werden ‘intelligenter’, neuere Geräte ermöglichen vielfältigeren Informationsaustausch. (…) Hierzu gehört auch die erste Kabelstrecke mit Lichtwellenleitern. (…) Wir die Bürger, haben zwar keinen dringenden Bedarf nach mehr Hörfunk- und Fernsehprogrammen, nach Bildtelefon, Abruf von Daten, Texten, Bildern und Programmen auf dem Bildschirm, auch weiss niemand, wie diese neuen Medien finanziert werden sollen, gleichwohl werden wir in den nächsten Jahren Zug um Zug verkabelt, um in ihren Genuss zu kommen, was freilich veilfältige Gefahren für Individuum und Gesellschaft, für die personale Kommunikation und für die ‘alten’ Medien – Presse und Rundfunk – heraufbeschwört: Gefahren, die, wenn überhaupt, nur durch umfangreiche Organisations- und Schutzmassnahmen vermieden werden oder wenigstens gelindert werden können.”

Was die nackte Frau oberhalb dieses Textes soll, ist nicht ganz nachvollziehbar – hier ist die gesamte Seite aus dem Heft abrufbar.

VIDEO VIS, aus dem Heft 5/1981 (Klicken für grössere Fassung)

Zur Erinnerung: Damals hatten wir auf dem lokalen Kabelnetz neun TV-Programme. Vor fast genau 20 Jahren – im September 1987 – machte ich für meine Schüler-Radiosendung einen Schwerpunkt zu Satelliten-Fernsehen (MP3, 4.3 MB – oder Player nach diesem Abschnitt benützen), das wir Jugendliche so sehnsüchtig erwarteten, schliesslich wollten wie “It’s a Sin” von den Pet Shop Boys nicht nur hören, sondern auch den Clip dazu anschauen. Die Hauptaussage des Kabelnetzbetreibers war, dass die meisten mit den bestehenden 13 Programmen sehr zufrieden seien; man werde ja sehen, ob sich all diese Satellitensender wie RTL durchsetzen würden. Zudem sei vom EVED (das damalige UVEK, vereinfacht gesagt) nur der Empfang von 14 Satellitenprogramm gestattet, wobei 30 technisch möglich seien 🙂

Die Sendung wurde fast genau vor 20 Jahren ausgestrahlt. As time goes by! Aber es ist unfassbar: Ja, wir verlebten damals coole Teenie-Jahre ohne Handy und Web… etwas vom wenigen, das uns fehlte, waren Videoclips.

Solche sendete das Schweizer Fernsehen z.B. 1986 jeweils anlässlich der FERA (mit Stereo-Ton dazu auf DRS3, moderiert von Gaby Schwager und Martin Eggenschwyler) – ich hab das kurz mal digitalisiert, auf YouTube sind drei Teile abrufbar (Teil 1 / Teil 2 / Teil 3). Hier eingebettet: Teil eines Interviews mit “Double” (Kurt Maloo und Felix Haug):

Über die ausgestrahlten Videoclips führte ich akribisch Buch – orthografisch nicht ganz korrekt… (JPG, 180 KB)

Zurück ins Jahr 1981 – weiter in “VIDEO VIS”: Offenbar war damals RTL in Planung. Dazu ist im Heft zu lesen (Original als JPG, 250 KB): “Wenn der Luxemburger Satellit die Normen des heutigen öffentlich-rechtlichen Fernsehens verlässt, bleibt die Frage, wird das ‘Rechtlich-Öffentliche’ der neuen Kommerzanstalt mehr sein als nur ein Reklamesender? (…) Die Zahl der Videorecorder wächst Monat um Monat, und auch das Angebot an Programmcassetten hat zweitausend Titel längst überschritten. Ich wäre nicht erstaunt, so Professor Hans Bausch, wenn dieser Markt sich bis zur Mitte des Jahrzehnts derart ausgeweitet hätte, dass weitere Programmangebote an alle nicht mehr jene Akzeptanz fänden, die man heute noch vermutet.”

Wie sagt man doch so schön: “It’s hard to make predictions, especially about the future.”

Nett auch diese Seiten:

– Für jene Wenigen mit einem Videorecorder brachte VIDEO VIS jeweils mehrere Seiten mit allen aktuellen Speilfilmen in einem Format, das man ausschneiden und auf den Rücken der Videocassette kleben konnte (Originalseite als JPG, 230 KB)

– Nicht jede Kommunikation passt in den Rundfunkbegriff (Originalseite als JPG, 280 KB)

– Für jene Wenigen mit einem Videorecorder brachte VIDEO VIS jeweils mehrere Seiten mit allen aktuellen Speilfilmen in einem Format, das man ausschneiden und auf den Rücken der Videocassette kleben konnte (Originalseite als JPG, 350 KB)

So ganz geheuer war einem das ganze Magnetband-Gschmäus dann doch nicht; auf dieser JVC-Werbung prangen wohl daher auch noch Super-8-Filmakassetten…

Werbung für das Unterwasser-Kamera-System von JVC (Video VIS 5/1981) - Klicken für grosse Fassung

Wo wir heute stehen, ist u.a. in dieser Diskussion nachzulesen.

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Anmerkung Herbst 2008: Das Schweizer Fernsehen hat die meisten meiner Nostalgie-Youtube-Videos mit dem Hinweis auf einen Urheberrechtsverstoss löschen lassen. Mag das formaljuristisch korrekt sein, ist es vor allem stur und eine Obstruktion wertvoller Freiwilligenarbeit, zumal die SRG selbst kaum Archivmaterial anbietet (das nota bene grösstenteils aus unseren Konzessionsgeldern finanziert wurde und damit uns allen gehört).

Ich habe peinlich genau darauf geachtet, möglichst keine Rechte Dritter zu verletzten und nur Videos anzubieten, die einzig und alleine historischen Wert haben. Offenbar ist das aber egal. Im neuen “Klartext” wird auch ein Artikel dazu erscheinen.

Ich werde alles daran setzen, dass die Videos wieder abrufbar sind; es spielt keine Rolle, wo, Hauptsache, diese wertvollen Aufnahmen aus längst vergangenen Zeiten sind wieder vorhanden.

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Anmerkung Frühling 2011: Ich hatte inzwischen einen sehr angenehmen Kontakt mit den SF-Archivleuten – und da hat man einen Riesenschritt vorwärts gemacht. Auf www.sf.tv/archiv sind zahllose Perlen aus dem Schweizer Fernseharchiv abrufbar.

15 Kommentare

  1. Wie die Zeiten sich doch ändern… Dazu hier noch ein Zitat aus dem unten verlinkten NZZ-Artikel:

    “Das erste transatlantische Unterwasserkabel konnte 1956 gleichzeitig 89 Telefongespräche übermitteln. Die Einrichtung einer einzigen Gesprächsleitung kostete 557 000 Dollar. Für ein dreiminütiges Telefongespräch über den Atlantik zahlte man damals etwa gleichviel wie heute für einen Flug. Einen solchen Luxus konnten sich nur Regierungen, Grossunternehmen und schwerreiche Leute leisten. Zudem war eine Transatlantikverbindung nicht nur sehr teuer, sondern auch schwierig zu bekommen.”

    Link: http://urlx.org/nzzfolio.ch/5c7f9

  2. Klasse Interview mit uns (Double) im SF. Ich versprach, dass wir nächstes Jahr (1987) auf Tournee gehen werden. Hat dann bloss 20 Jahre gebraucht, bis es wahr wurde… 😉

    Gruss,
    Kurt Maloo

  3. Kurt, bist Du das wirklich? – Ich kann jetzt irgendwelche ausgeflippten Gesten nur knapp unterdrücken – aber zumal ich hier Blogger und nicht Schurni bin, kann ich Dir endlich mal gespickt mit ein Bewunderung mitteilen: “The Captain of Her Heart” gehört allermindestens zu den “Top 30” meiner ewigen 80er-Bestenliste. Ich hab den Song auf meinem Handy immer dabei – und er hat mir die letzten 22 Jahre stets immens Freude bereitet, von meiner Teenie-Zeit mit 13 bis zu den Berner Winterabenden am Kamin heutzutage.

    Grad diesen Sommer lag ich in Südfrankreich unter meinem liebsten Olivenbaum, ein laues Lüftchen streichelte die Provence, und der erste Gedanke bei der Musikauswahl fiel auf “Captain” – auch, weil er in den aufregenden Sommerferien 1985 da unten immer am Radio lief. So wunderbar zum Abschweben: Ein starkes Stück Welt-Popgeschichte. Brillant.

    “Devil’s Ball” ab der zweiten LP fand ich auch umwerfend – das war der Soundtrack unserer Sek-Velotuor ins Elsass vor 20 Jahren. In unserer Schüler-Lokalradiosendung spielten wir ihn natürlich im “Lager-Special” (MP3, 5.8 MB).

    Die kleinen Aussetzer am Anfang Eures Songs sind übrigens unsaubere Schnitt-Spuren auf dem Band… für die Kids hier: Damals gabs noch keinen digitale Tonbearbeitung; wenn man einen Beitrag bastelte, schnitt man tatsächlich das Band entzwei und klebte es wieder zusammen. Wenn man das Band dann ein zweites Mal brauchte, gabs jedesmal einen kleinen Aussetzer an der alten Klebe-Stelle.

    Den legendären Mummenschanz-Clip gibts in Kurts YouTube-Space. Der Song lief auch oft auf TSR (“Zap Hits” bzw. “Juke Box Heroes” mit Patrick Allenbach und “Minestrone” war die einzig brauchbare regelmässige Videoclipsendung der Schweiz). Und “Gliding” war eine meiner ersten CD-Singles (Foto).

    Viel Glück bei Deinen weiteren Gigs, komm mal nach Bern! Und danke, dass es “Captain” jetzt ganz legal im Netz gibt. Viele fragten mich nämlich betreffend den “FERA’86”-Videos “Wo sind denn die Clips”…?

  4. …ja bei “Minestrone” haben wir auch mal ein seeeehr merkwürdiges Interview gegeben, den Clip hab ich glaube ich noch irgendwo als VHS. Die Sendung war damals Avantgarde. Ich bin beeindruckt von Deinem Elefantengedächtnis…

    Machs guet,
    Kurt

  5. Ohhh… das kannst Du nicht zufällig irgendwie digitalisieren und mir kommen lassen zum guerillamässig aufschalten? – Das wäre sicher ein Leckerbissen. Interessant: Yves Ménestrier alias Minestrone ist heute TSR-Programmdirektor!

    Mein Elefantengedächtnis kann zum Glück allerlei behalten, ja, seltsamerweise – keine Ahnung warum. Aber ich kann Dir von fast jedem Monat in den 80er-Jahren noch sagen, was ich grad tat, wie die Weltlage war und was für Musik wir damals hörten. Nur will das natürlich selten jemand wissen 🙂

    Noch besser ist aber, dass ich schon früh einen Archivtick entwickelt habe: Wer mir Zügeln hilft, flucht darüber – aber all die VHS-Bänder (z.B. Steinzeit-Survival) und Tagebuch-, Newsarchiv- und Eigene-Sendungs-Tapes sind 20 Jahre nach deren Entstehung natürlich Gold wert für Nostalgieblogs.

    Ah, und da ist ja noch mein Vinylarchiv, fast vergessen!

  6. Ah, “Tomorrow” hab ich ja auch noch… stimmt! Wenn man dann alle Singles unter “D”anschaut, findet man auch noch die zweite Auskopplung aus “Blue” – als das Vinylarchiv meines Heimatsenders aufgelöst wurde, hab ich mir die natürlich auch ergattert:

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