In den letzten Wochen habe ich immer mehr Leute mit seltsamen Kameras am Helm auf der Piste gesichtet. Offenbar ein neuer Trend – das weckte meine Neugier: Ist das Zeug brauchbar?
Günter Neugebauer von TIMELine Technology in Schalchen (Zürcher Oberland) – spezialisiert u.a. auf Helmkameras – stellte unkompliziert und schnell zwei Testgeräte zur Verfügung; am Dienstag ist mein kleiner Helmkameratest in der BZ erschienen (Link zum Artikel / Originalseite als PDF). Hier wie üblich ein “extended remix” des Textes mit mehr Details.
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Neue Perspektiven
Camcorder und Digitalkamera? Schnee von gestern: Wer in den kommenden Sportferien ein neues Spielzeug ausprobieren will, sollte sich eine Helmkamera anschaffen.
Wenn Bruno Kernen fürs Schweizer Fernsehen die Rennpiste hinuntersaust, trägt er eine Kamera in der Hand oder am Helm. Manch ein Hobbyskifahrer träumt davon, seine Schwünge im Tiefschnee selbst so einzufangen – zusätzlich angespornt von einschlägigen Videos im Internet.
Natürlich klappt das grundsätzlich auch mit einem Handy oder einer konventionellen Digitalkamera – mit viel Klebeband und der Hoffnung, dass das empfindliche Gerät nicht im Schnee landet oder an einem Fels zersplittert.
Helmkameras sind gleich gross wie kompakte Digicams, aber gegen Kälte, Wasser, Dreck und Stösse geschützt. Zudem bringen sie praktische Befestigungsvorrichtungen mit. So lassen sie sich nicht nur am Helm festmachen, sondern auch an Skibrillen, Töfftanks, am Oberarm oder Schienbein, sogar auf einem Ski – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Beide Hände frei
Das bietet ganz neue Perspektiven für die sonst so eintönigen Familien-Filmabende: Den Kindern auf den Skiern vor- oder nachfahren macht die Szene viel authentischer anstatt sie vom Pistenrand aus zu filmen. Die Kamera lässt sich mühelos drehen oder mit etwas Bastelei sogar an den Skistock zurren…
… und in die Luft heben – das wirkt wie wenn ein Vogel die Szene von oben gefilmt hätte (siehe Testvideos vom Wiriehorn weiter unten). Auf der Velotour sind endlich beide Hände frei; die Kamera sitzt fest am Lenker. Hier ein Beispiel aus der Berner Altstadt:
Unterwegs mit der Contour HD 1080p in der Berner Altstadt – Cam mit Handle Bar Mount (optional erhältlich) am Lenker befestigt. Ein weiteres Velovideo (Kornhausbrückenfahrt) ist hier abrufbar. Wie sich die Kamera im Dunkeln verhält, ist in diesem Video sichtbar. | |
Bis vor kurzem waren Helmkameras für normale Haushalte unerschwinglich – doch inzwischen sind Einsteigermodelle ab rund 300 Franken im Handel. Die beiden Testkameras haben sich im Schnee gut bewährt, allerdings mit gewissen Abstrichen beim Komfort und der Bildqualität.
Punkto Zubehör gewinnt die günstigere Drift X170 den Test (eben jene für knapp 300 Franken) – dem Paket sind Befestigungsmaterialien für zahllose Oberflächen beigelegt. Die Linse kann um 300 Grad gedreht werden, um in jeder Befestigungsposition ein gerades Bild (max. 720×480 Pixel bei 30fps) zu garantieren. Das gut gepolsterte Gerät hat sogar einen kleinen Bildschirm und eine Fernbedienung (Aufnahme on/off), die Bildqualität kommt aber an ein modernes Handy nicht heran. Schade, dass in solchen Geräten offenbar immer die billigsten Sensoren verbaut werden.
Die teurere Contour HD 1080p (im Internet-Versandhandel ab 455 Franken) kommt ohne Monitor aus; das meiste Zubehör muss separat gekauft werden. Die Bildqualität dagegen ist top – dennoch ist sie kleiner und handlicher als die X170.
Beide Kameras zeichnen sich durch ein extremes Weitwinkelobjektiv aus, das sich je nach Befestigung in die korrekte Lage drehen lässt. Der Blickwinkel ist manchmal etwas gewöhnungsbedürftig; die Landschaft wird teils arg verzerrt.
Eigene Flugbilder
Ein Spass für wenige Freaks? Keineswegs: Die Firma TIMELine Technology eröffnet in Turbenthal im Zürcher Oberland sogar demnächst ein Spezialgeschäft für Helmkameras. Das Unternehmen ist auf professionelle Videoüberwachung spezialisiert und hat vor zwei Jahren, zusammen mit seinem deutschen Partner Blickvang, die Helmkameras als Marktlücke entdeckt. Die Kundschaft ist laut Geschäftsführer Günter Neugebauer breit gefächert: “Paraglider, Piloten und Mountainbiker kaufen Helmkameras, aber auch Modellflugzeugbauer, die so faszinierende Luftaufnahmen machen. Fahrschulen setzen die Geräte für die Ausbildung ein, Polizisten filmen damit auf ihren Einsätzen.”
Inzwischen scheinen sich aber nicht nur Tüftler, Profis und Extremsportler für Helmkameras zu erwärmen: “Wir haben schon gegen tausend Stück abgesetzt – und dabei reden wir nicht von Geräten im untersten Preissegment”, sagt Neugebauer. “In naher Zukunft übermitteln die Cams Bilder drahtlos ans Aufnahmegerät in der Tasche, das macht die Geräte noch kleiner und leichter.”
Das ist auch nötig – die Kameras sind zwar erstaunlich handlich, gerade an einer Skibrille wackeln sie aber noch bedrohlich auf und ab. Einmal an Helm, Körper oder Lenker befestigt, stören sie hingegen nicht weiter. Die Miniaturgrösse bringt auch Probleme mit sich: Die X170 ist ein Akkufresser. Rund 20 Minuten Film benötigten im Schnee drei mal zwei AA-Alkali-Batterien!
Bei der Full-HD-Kamera von Contour ist der Aufnahmehebel (Bild) trotz Gummierung nur mit viel Kraft (bzw. sanfter Gewalt – am besten ohne Handschuhe) zu betätigen – schade, so sind Start und Schluss der Aufnahme durch Gewackel und Knackgeräusche verloren. Das teurere Gerät bietet im Felde praktisch keine Optionen: Eine Prüfung der Aufnahmen ist mangels Monitor unmöglich, Feineinstellungen (Auflösung, Helligkeit, Kontrast usw.) klappen nur, wenn die Kamera per USB mit einem Computer verbunden ist, auf dem die Contour-Software läuft (das lädt dann auch gleich den Akku).
Das Bild ist zwar mit maximal 1920×1080 Pixeln (bei 30fps) tatsächlich Full HD (möglich ist u.a. auch ein Action-Modus mit 1280×720 bei 60fps), aber auch hier könnte die Qualität noch besser sein – angesichts der Miniatur-Ausführung des Geräts wohl ein frommer Wunsch. Trotzdem, die vielen unscharfen Bildteile nerven ein wenig, ebenso der nicht lupenreine Umgang mit gleissenden Schneeflächen – je nach Einstellungen (es braucht einige Testtage und Notizen, bis mans draussen hat, und unterwegs kann mans wie erwähnt nicht checken) hat man schnell mal überbelichtete Aufnahmen aus den Bergen.
– Originaldatei aus der X710 (MJPEG, AVI, 720×480 bei 30fps, 19 MB) – wie man sieht, bringt selbst ein vier Jahre altes Handy die besseren Aufnahmen hin.
– Originaldatei aus der Contour HD 1080p (H264, MOV, 1280×720 bei 60fps, 18 MB) – besser, aber in voller Grösse auch nicht über alle Zweifel erhabene Bildqualität
Beide Cams speichern die Aufnahmen auf SD- bzw. MicroSD-Karten bis 16 Gigabyte. Je nach gewählter Auflösung und Kartengrösse haben nur wenige Minuten oder aber Stunden auf dem Chip Platz. Die AVI-Dateien aus der X710 konnten mangels Codec auf meinem Laptop nicht abgespielt werden, erst das Umstellen auf Motion JPEG brachte sofort abspielbare Filme. Die MOV-Dateien aus der Contour hingegen spielte Quicktime immer problemlos ab – abgesehen vom Ruckeln bei Full HD.
Auch auf ruppigen Pisten aufgenommene Filme wirken erstaunlich stabil; eine etwas bessere Federung oder Bildstabilisierung würde die Bilder noch etwas ruhiger wirken lassen.
Unterwegs mit der Contour HD 1080p am Wiriehorn (Diemtigtal) – Vergleichsvideo Drift X710 hier, weitere Videos der Contour hier und hier. | |
Der Phantasie sind wie gesagt keine Grenzen gesetzt – Kamera nach vorne, nach hinten, zur Seite, Kamera von oben nach unten zeigend, Kamera nach hinten gehalten – ja sogar Kamera auf Ski:
Im Meer sind mit den Wunderdingern übrigens noch ganz andere coole Perspektiven möglich…
Schneiden tut Not
Es braucht etwas Übung, allzu schnelle Schwenker zu vermeiden, den richtigen Ausschnitt zu erwischen und gleichzeitig – im Sinne der Sicherheit aller Beteiligten – die Szenerie im Auge zu behalten. Im Rohmaterial befindet sich demnach viel Ausschussware, eine nachträgliche Bearbeitung ist sinnvoll. Eine Videoschnittsoftware muss allerdings separat erstanden werden.
Zudem ist ein sehr schneller Rechner empfehlenswert, vor allem HD-Fimle ruckeln sonst unangenehm – nur schon beim Betrachten. Und mein Adobe Premiere CS3 war beim Schneiden und Rendern einer Abfolge von HD-Movies komplett überfordert, und das immerhin auf einem erst 12 Monate alten Notebook mit 4GB RAM… es reihte sich Absturz an Absturz. Tipp: Für die meisten Zwecke (YouTube und Co.) reichen tiefere Auflösungen bei weitem – das saugt weniger Akku und lässt sich smoother schneiden.
Fazit: Für den gelegentlichen Einsatz in voller Fahrt genügen Handy und Digitalkamera. Wer aber sein Publikum mit überraschenden POV-Bildwinkeln à la Kamerafahrten entzücken will, wird insbesondere an der Contour HD seine helle Freude haben.
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Und noch ein Schmankerl zur Entstehung des Textes – natürlich wurde er wie immer erst spätnachts vor Abgabeschluss fertig, und der arme Redaktor musste ein wenig kürzen. Die definitive Fassung mailt er mir an Skitagen jeweils per Mail aufs Handy; der letzte Schliff wurde hier im Rahmen einer Pisten-Redaktionssitzung bei -15 Grad mitten im Steilhang zwischen Eigergletscher und Fallboden besprochen. Der wie immer brillant fotografierende Produzent gab auch noch seinen Senf dazu.
(Fotos: db.)
Ich habe die Cam auch seit ca. 4 Wochen und hatte bereits die Möglichkeit meine diversen Funsport-Aktivitäten aufzunehmen. Das Bild ist wirklich gut und es macht Spaß sich die Videos hinterher anzuschauen. Gerade beim Ski fahren macht die Cam auch ein schönes Bild und der Kontrast ist auch gut (nicht alles weiß etc.)… btw: schöner Testbericht
Vielen Dank, ein sehr sehr schöner und aufschlussreicher Bericht. Ich habe mir ebenfalls eine ContourHD 1080p zugelegt und würde sehr gern wissen welche Grundeinstellungen denn die passensten für einen durchschnittlichen Pistentag sind. Kann ich mit den Grundeinstellungen los und werde gute Ergebnisse mit nach Hause bringen, oder sollte ich vorher ins Setup und Einstellungen ändern? Ich entnehme Ihrem Bericht das es ratsam ist auf 720p zu filmen? Welchen Modus nutzten sie dazu? Aktion, Contour? Wie stelle ich die Cam in Sachen Helligkeit, Kontrast usw am besten vorab ein?
Viele Grüße und danke,
Mario
Hallo Mario! Leider sind schon etliche Monate seit dem Test vergangen – und die Kamera war ja nur leihweise bei mir. Ich hatte ohnehin den Eindruck, dass selbst experimentieren am meisten bringt. Das dauert zwar seine Zeit, aber Sie haben dann für Ihre Bedürfnisse sicher die besten Einstellungen. Ich bin damals einfach mal losgefahren und hab mir nicht viel dabei gedacht – das eine oder andere könnte man an den Einstellungen sicher noch rumschrauben für optimale Ergebnisse…
1080p ist zweifellos cool, aber Sie brauchen dafür einen wirklich sehr schnellen Rechner, wenn Sie die Videos “smooth” betrachten oder gar bearbeiten möchten. Mit 720p hatte ich dabei keine Probleme.
hallo Blöker (Andi Jacomet)
wie gehts dir eig. zurzeit so.. immernoch bestens mit remicade oder hatt dein zustand verschlechtert.. schade das man auf dem ander page nichts mehr von dir liest..
lg
Hallo Deniz, ist zwar etwas offtopic hier, aber es geht blendend mit Remicade – man liest also nichts, weil ich mich tipptopp fühle 🙂