Ich wollte schon immer Lokomotivführer werden. Heute zeigt sich genauer, warum: Ich spürte schon als Kind, dass man es da recht gemütlich nehmen kann.
Momentan sitze ich in einem Zug zu einem Kundentermin nach Sursee, der mit 25 Minuten Verspätung verkehrt. Das kanns geben – die Vorgeschichte ist aber interessant: Laut Durchsage auf dem Gleis hatte der Zug wegen einer Stellwerkstörung 15 Minuten Verspätung. OK – was solls. Um 11.55 Uhr fuhr dann aber ein IC ein, der wenig später durch eine ungelenk vorgetragene Ansage als “Ersatzzug” identifiziert wurde. Gute Idee!
Nach zehn Minuten im Zug dann die Meldung aus den Lautsprechern, die viele am Organisationstalent der SBB zweifeln lässt: “Wir können leider nicht abfahren, da kein Lokpersonal vorhanden ist. Bitte steigen Sie wieder aus und beachten Sie die weiteren Durchsagen.”
Bitte was? Knock knock?
Die Ansage erfolgte nur deutsch – zahlreiche Menschen, die nicht nach Europäern aussahen, blieben ratlos im Zug sitzen, während wir zum inzwischen angekommenen IC aus der Westschweiz spazierten.
Die Anzeige auf Gleis 7 war dann extrem informativ…
Immerhin, die Info im Zug selbst war annähernd vorbildlich. Dass Zugbegleiter in der Regel rhetorisch wenig drauf haben, merkte man hier kaum (AMR-Datei anhören, 60 KB). Aber auch hier wieder: die Ansage gabs nur auf Deutsch! Der Kondukteur lief durch den Wagen und notierte die Anschlüsse.
Inzwischen sind wir in Dagmersellen, die Verspätung beträgt 30 Minuten, vorhin auf der Neubaustrecke gabs als Showeinlage noch einen Vollstopp mit feinem Bremsbelag-Geruch im Wagen.
Und nun die Durchsage, dass die Anschlüsse nicht abgewartet werden – und eine extrem umständliche Ansage, wie sich Reisende nach Schwyz verhalten sollen (AMR, 30 KB) sowie eine fehlerhafte französische Ansage (AMR, 40 KB).
Wie wärs mit Englisch? Keine Chance!
Wieder einmal: SBB – nachsitzen.
Und das ein paar Tage vor der Euro…. Ok, nicht dass ich besonders viel davon halte, dass Fussballfans zeitig abgeliefert werden oder mit Informationen versort werden, aber man könnte denken (bzw ich weiss) dass die SBB sich gegenwärtig sehr viel Mühe gibt.
Andi, ich schlage vor Du gibts diese Geschichte genau so an diese Stelle (“Kundendienst”) weiter.
Betriebslage Links
Züge online (ProSurf)
Moin moin,
Das mit dem Zugpersonal ist nicht immer so eine einfache Sache.
Ausgefallene oder verspätete Züge können einen Rattenschwanz an Komplikationen für die Lok- und Zugführer auslösen, normalerweise hat es bei allen grösseren Bahnhöfen ein paar Lokführer auf Reserve, jedoch kann es auch vorkommen dass diese plötzlich nicht mehr ausreichen.
Es kann auch gut sein dass ein Lokführer der zwar seinen Zug noch planmässig im Bahnhof einfährt anschliessend nicht mehr weiterfahren darf weil er seine Ruhezeiten nicht verletzen darf.
Die Lokführer können hier sicher am wenigsten dafür – der erste Abschnitt ist natürlich, falls das jemand nicht gemerkt haben sollte, nicht sonderlich ernst gemeint. Aber hinter den Kulissen kann man *offensichtlich* die Organisation verbessern!
Einen Skandal bzw. lachhaft finde ich es aber, wenn die Kondukteure, die keine normalen Ansagen machen können, dann auch noch “hart auftreten” wollen.
Natürlich geht das auch an den SBB-Kundendienst. Wollen wir doch mal sehen, ob man da inzwischen gemerkt hat, dass man auch Blogs lesen und direkt darin antworten kann…
Edit: Mail an den Kundendienst ist weg. Wollen wir doch mal sehen, ob die SBB auf der Höhe der Zeit ist und das Bloggen / Kommentieren beherrscht.
Sagen wir mal so: Als Instrument der internen Kommunikation treibt das Bloggen erste Knospen 😉 Da bin ich jetzt auch gespannt…
Ist es frech, zu behaupten, dass 10 Tage ohne Antwort nicht allzu viel positive Aussagen zu einem “Kundendienst” zulassen?
Nun habe ich die Antwort (schon seit dem 16. Juni – Zeitmangel verhinderte das frühere Einfügen).
Der zentrale SBB-Kundendienst hat sich entschuldigt, dass in diesem Fall keine Empfangsbestätigung gesandt wurde mit der Angabe, dass die Anfrage bearbeitet werde. Zudem hat man sich freundlicherweise bereit erklärt, dass die Antwort hier leicht gekürzt widergegeben wird. Voilà.
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Vorfall in Bern
Der von Ihnen benützte Zug 2523 hatte aufgrund einer Stellwerkstörung in Wünnewil (fernbedient durch das Stellwerkzentrum Bern) bei seiner Ankunft in Bern 17 Min. Verspätung. Eine Störung auf der Strecke Bern – Fribourg hat zurzeit noch grössere Auswirkungen als sonst, da der Streckenabschnitt Wünnewil – Flamatt seit dem verheerenden Unwetter vom August 2007 nur noch einspurig befahrbar ist. Aufgrund der zu erwartenden Abgangsverspätung in Bern und den damit verbundenen Auswirkungen auf den übrigen Zugverkehr hat sich die Betriebsleitung entschieden, einen “pünktlichen” Ersatzzug zu stellen und Zug 2523 in Bern zu belassen. Leider hat man, als die Ersatzkomposition bereits zum Einsteigen bereit stand, bemerkt, dass der Lokführer nicht anwesend ist und musste somit auf diese eigentlich sinnvolle Lösung verzichten und die Reisenden wieder mit dem ursprünglichen Zug (2523) befördern. Für unsere Fahrgäste ist dies natürlich ärgerlich, wir verstehen deren Unmut und wir entschuldigen uns für diese Unannehmlichkeiten.
Lautsprecherdurchsagen / Ausbildung des Zugpersonals
Als Grundlage für alle Durchsagen dient die Broschüre “Immer informiert”, die den Zugbegleiter/innen zur Verfügung gestellt wird. In diesem Heft ist auch die Sprachregelung ausgeführt:
– Bei nur in der Deutschschweiz verkehrenden Zügen erfolgt die Begrüssung/Durchsage lediglich in Deutsch (hier: Bern-Luzern)
– Bei Zügen, die über eine Sprachgrenze verkehren, werden die Ansagen in den Sprachen der befahrenen Landesteile getätigt
– Englische Durchsagen erfolgen in Zügen nach Genève-Aéroport, Zürich-Flughafen, Basel und in internationalen Zügen nach Bedarf
Selbstverständlich sollte der/die Zugbegleiter/in seine Ansagen um die oben genannten Sprachen ergänzen, wenn er während der Billettkontrolle realisiert, dass Fahrgäste mit diesen Muttersprachen an Bord sind und er über die entsprechenden Sprachkenntnisse verfügt.
Die Forderung allerdings, alle Durchsagen in Deutsch, Französisch und Englisch auszuführen, ist für uns aus folgenden Gründen nur sehr schwer realisierbar:
a) Zugbegleiter/innen müssen bei ihrer Anstellung über die Kenntnisse von zwei Fremdsprachen verfügen. Die Spracherwartungen varieren je nach Landesteil – im Tessin werden Deutsch und Französisch, in der Romandie Deutsch und Italienisch vorausgesetzt. Englischkenntnisse werden nicht zwingend erwartet.
b) Perfekt dreisprachige Menschen können wir aufgrund unserer Bezahlung nicht anstellen oder länger bei uns behalten, da Menschen mit diesen Fähigkeiten in internationalen Grosskonzernen äusserst gefragt sind.
c) Durchsagen in Störungsfällen müssen meistens unter grossem Zeitdruck gemacht werden. Wir sind der Meinung, dass in diesen Situationen Lautsprecherdurchsagen in EINER korrekten Sprache oft sinnvoller sind als drei in nur halbwegs beherrschten Fremdsprachen.
Unsere Zugbegleiter/innen müssen bei der Anstellung den Nachweis, in den angegebenen Fremdsprachen kommunizieren zu können, nach den Europäischen Standards (TELC) erbringen. Die während der Anstellung zusätzlich erlernten Fremdsprachen müssen ebenfalls nach diesen Standards mit Diplom abgeschlossen bzw. nachgewiesen werden.
Naja, dann bin ich mal froh zu wissen, dass auch diese Umstände nicht wirklich “klassisch” gewesen sind. Die Verspätung bleibt aber natürlich für den Kunden genau gleich bestehen.
Immerhin: Ob eine solch ausführliche Antwort von einem “internationalen Grosskonzern” ebenfalls eingetrudelt wäre, wäre eine andere interessante Sache. 😉
Wieviel die Info über die Arbeit der ZugbegleiterInnen Dir bringt, bleibe dahingestellt. Mich machten diese Aussage etwas stutzig:
In einem Land mit vielen Touristen, die gerne den funktionierenden öV benützen, ist das IMHO eine merkwürdige Haltung bzgl. Frontpersonal.
Naja, aber dann die Webseite und den Annual Report in 4 Sprachen verfassen? Hallo Konsequenz? Dann nimmt man diesen Extrabatzen (ein Diplomkurs E in der Migros kostet vielleicht 2000.-) halt in die Pfoten und bringt den Leuten dazu noch ein paar spezifische Sätze bei! Das kann ja nicht so schwer sein.
Und was denken eigentlich die ZugbegleiterInnen jeweils? “Uh bin ich froh muss ich das nicht auch noch auf Englisch sagen!”
Oder “Merde, das wär jetzt gut, wenn ich das noch auf Englisch sagen könnte, aber ich weiss nicht was Stellwerkstörung heisst…” ??
Ja, und die Verweildauer im Unternehmen ist durchaus auch abhängig von der Bezahlung…
Uh, aber jetzt tut der Mirko schleunigst shut-uppen, sonst kommt das nicht gut 🙂
Meine Rede… ich finde es auch ein wenig schade, dass man nicht offen zugeben kann, dass etliche Ansagen (auch auf Deutsch) schlicht eines Frontpersonals im Land, das am meisten Bahn fährt, nicht würdig sind. Das ist keine besonders zuversichtlich stimmende Einstellung für ein Unternehmen, mit dem sehr, sehr viele TouristInnen und Einheimische zu tun haben und das eine gewisse Visitenkartenfunktion ausübt.