Einen Stein gebären

Nein, das konnte kein Krampf infolge Renovationsüberarbeitung sein. Dieser Schmerz morgens um fünf war irgendwie anders als die gewohnten Bett-Morgen-Streck-Überdehnungskrämpfe. Und an einem komischen Ort.

Da drin ist doch… die Niere? Huch?

Der iPod lag neben dem Bett, und als ich nur noch laut und verkrampft atmen konnte, tippte ich mal “Nierenkolik” ein – und zumal die Beschreibung in Wikipedia zu 100% passte, stand bald schon mal ein Taxi vor dem Haus, das ich noch mit Mühe und Not besteigen konnte.

Vom Haus aus sehen wir neu ans Zieglerspital – die Aussicht aus dem Zieglerspital kannte ich hingegen noch nicht, und das war eine ausgezeichnete Gelegenheit, diesen Zustand zu ändern.

Noch nie war ich so froh um einen Infusionsstich! Und zumal ich schon bald einmal das Wort “Pethidin” hörte – ein Garant für schöne, seltsame Träume bei den letzten Knie-Opsen – wusste ich, dass ich schon bald mal sanft entschweben würde. So geschah es auch. Vom Rest dieses Freitags bekam ich nicht mehr viel mit – ausser dass ich immer wieder mal schreien musste wie… an sich erschien mir der Vergleich grotesk, aber eine Pflegerin sagte von sich aus, dass die nierensteinbedingte Krämpfe Geburtswehen nicht ganz unähnlich seien.

So habe ich dieses Gefühl als Mann doch noch irgendwie erlebt – und verstehe jede Frau, die entgegen möglichen Vorsätzen nach Schmerzmitteln ruft, wenns in die Zielgerade geht. Für Tochter oder Sohn in spe hätte ich den Schmerz allerdings sicher viel lieber ausgestanden als für das 4mm grosse vermaledeite Ding, das sich auf dem Ultraschall ganz versteckte und auf dem späteren CT leider immer noch recht weit oben im internen Röhrensystem hervorguckte.

Aber auch in so einer ungewollten Situation lernt man viel dazu, zum Beispiel, durch ein Sieb zu pinkeln, sollte der Schmerzverursacher von sich aus flüchten. Da gehört er auch hin: Hinter Gitter, du Siech!

Und kannten Sie den Erich Drehkopf? Eben. Ich kenne ihn nun. Ha.

Besuch von Erich Drehkopf

Nach etwas mehr als 24 Stunden mochte ich die tragischen Lebensgeschichten und seltsamen Schlafgeräusche meines schicksalsgeprüften Zimmernachbarn nicht mehr hören (warum gibts keine Zusatzversicherung “garantiert angenehme Zimmerbegleitung”?). Aber nicht, ohne vorher noch kurz nach Hause gewunken zu haben und von da zurückgegrüsst worden zu sein selbstverständlich.

Blick von zu Hause ins Zieglerspital

Blick von vom Zieglerspital nach Hause

Inzwischen komme ich mir alt vor: das Prostata-Medikament, das bei Nierensteinen schlicht “den Schacht etwas schmieren” soll, ist “süsch scho eher öppis für älteri Herre”, wurde mir beschieden.

Doch dieses Gefühl kenne ich schon von den Osteoporose-Medis, bei denen die Packungsbeilage begann mit “Liebe Patientin, jetzt, wo Sie langsam in die Wechseljahre kommen”…

Immerhin bin ich wieder im trauten Heim, wo mich zwar das Spachteln juckt, das ich nun aber schön brav sein lasse. Papa empfiehlt eher die konservative Therapie (“hüpf einfach ein paar Mal vom Esstisch”); ich belasse es bei Spazieren, Lesen, Schmerzmittelfressen und TV gucken.

Science Fiction?
Nein, viel schlimmer – Science Miktion!

11 Kommentare

  1. Du bist mir ein Komiker – obwohl das eigentlich eine schlimme, schmerzhafte Geschichte ist, habe ich soeben Tränen gelacht beim Lesen. Exgüsi!

    Ich wünsche dir ganz herzlich gute Besserung und lass ums Himmelswillen das Spachteln sein!

    Liebe Grüsse ans Krankenbett
    Hausfrau Hanna

  2. Das hört sich ja nicht so spaßig an….hoffe dir geht es bald besser! [Spam-Links gelöscht – liebe manuellen Spammer, hört auf mit dieser Spammerei, OK? Sonst gehts mir nämlich noch schlechter. Siehe hier.]

  3. Sorry, auch ich konnte mir bei deiner Schilderung (und Herrn Drehkopf) ein Grinsen nicht verkneifen. Natürlich nur wegen deiner Schilderung und nicht wegen den erlittenen Schmerzen. Gute Besserung!

  4. Danke allerseits – inzwischen hat sich einiges getan: Der Stein ist spurlos verschwunden, schlicht und ergreifend. Einfach weg, ebenso die Schmerzen, von einem Tag auf den anderen.

    Was macht man in so einem Fall? Genau: Sich freuen und nicht lange Fragen stellen…

  5. Falls das jemanden interessiert… am Donnerstag nach Neujahr eine neue Kolik – leider kurz vor einem köstlichen Dessert, das ich nicht geniessen konnte und die Gastgeber wegen des auf dem Bett schreienden Gastes auch nicht wirklich.

    Zum Glück passierte das beim notfallmedizinisch äusserst gebüldeten Papa in Sedrun, der erfreut war, seinen Notfallkoffer wieder mal in der freien Wildbahn benützen zu dürfen, sogleich eine Infusion steckte und ein paar illegale Drogen reinpumpte.

    Am nächsten Morgen war alles wie wenn nie was gewesen wäre; zwei Tage Check im Spital – alles normal. Soll mir mal einer sagen, was für einen Unsinn mein Körper da mit mir spielt… jänu.

    Lieber Stein, ich verspreche dir, du erhälst einen Ehrenplatz im Setzkasten, falls du freiwillig rauskommst! Gleich neben dem Knochenfragment und den Schrauben aus dem Knie. Ehrlich!

    Heute kam im “Puls” auf SF auch ein informativer Beitrag zum Thema. Auch ein Merkblatt wurde aufgeschaltet.

  6. Am 19. Januar wars wieder soweit – zusätzlich zu Schmerzen nach einer Weisheitszahnextraktion und einer Grippe gabs wieder eine Kolik mit dem vollen Programm: Erbrechen und krampfartige Schmerzen.

    Hach, so schön.

    Immerhin: Ich setzte mir selbst je eine Spritze Buscopan und Pethidin, nahm danach 48 Stunden lang die Maximaltagesdosis Novalgintabletten, dann war der Spuk wieder so schnell vorbei, wie er da war. Pfff.

  7. Nach zwei kleinen Koliken im März und Mai sowie einer weiteren Zwei-Tage-Kolik mit einem coolen Schmerzmittelcocktail und stundenlangem Erbrechen Anfang Juni hatte ich genug und ging zum Arzt; heute sah man das Steinchen im Urether kurz vor Blase sogar im Ultraschall leicht, im CT ganz deutlich. Es ist also seit Januar ziemlich nach unten gewandert, was all die Koliken erklärt.

    Morgen Dienstag wird der Stein im Berner Inselspital mittels ESWL zertrümmert. Heute um 14 Uhr muss ich zur Vorbereitung ein starkes Abführmittel schlucken – na dann viel Spass…

    Daumen drücken! Merci.

  8. So, der Stein ist seit Dienstagmittag draussen – allerdings gabs eine Ureterorenoskopie und keine ESWL.

    Der Stein lag für eine Zertrümmerung nicht ideal, sodass er via Harnöhre und Blase “gefischt” werden musste. Zudem haben die Herren, die am Schluss zu dritt – wenn schon, denn schon – vor mir standen und mit dem Steinchen herumknorzten, zuguterletzt eine Doppel-J-Schiene zwischen Niere und Blase gelegt.

    Immerhin weiss ich nun in etwa, wie sich eine gynäkologische Untersuchung anfühlt – wobei ich Schwein hatte und dank der Spinalanästhesie eh alles taub war. Wir Männer halten das Herumgemeche am Gemächt eben nicht wirklich aus. Aber das gespreiztbeinige Daliegen in medizinischem Environment fand ich nicht mal so schlimm; die miesepetrig draufseiende OP-Schwester mit ihrem militärischen Befehlson war weitaus mühsamer.

    Besonders schräg war der Augenblick, als mir Frau Gutgelaunt die Beine auf die Stützen legte und ich davon überzeugt war, sie müssten immer noch auf dem Schragen liegen. Faszinierend! (Ist dieses Wort eigentlich eine Zusammensetzung aus Faszie und Niere?)

    Oh wäre das schön, wenn alles, was einem garstige Mitmenschen so antun oder an den Kopf werfen, ebenso unbemerkt vonstatten gehen könnte wie was Miss Haar-Auf-Zahn mit mir angestellt hat. Eine Art Spinale fürs Gemüt wäre manchmal wunderbar praktisch.

    Zurück zum bitteren Ernst: Anschliessend darf man sich einfach nicht bis zu Ende vorstellen, wo das immens lange, eher breite Instrument, dass der nette Mensch mit der Maske da in die eigene Richtung schiebt, genau hinkommt – bzw. man ist dann einfach froh, nichts zu merken und kann beruhigt mit der Narkoseärztin über Maligne Hyperthermie (es bleibt einem nichts erspart in dieser Familie, aber T88.3 tönt auch gut in einem Lebenslauf) und das gute alte Fentanyl zu diskutieren beginnen, um sich davon abzulenken, dass die da vorne Sätze von sich geben wie “Moment mal, da war er doch… zurück… NEIN, da ist er, wart, … hmmm, ich hab ihn wieder verloren, gopf… nochmals… wo isch denn dä Cheib jetzt?” oder “Hast du den Führungsdraht zurückgezogen? Oh nein… Mann, jetzt kann ich von vorn beginnen!”

    Da steckte er noch kurz vor der Blase, der Sauhund (Ultraschall vom Montag, punkt links von der Bildmitte):

    Konkrement kurz vor der Blase im Sono

    Kurz nach der Operation: Solange die Teilnarkose noch nicht abgeklungen ist, gibts immer noch nix zu essen, grrr…

    Konkrement kurz vor der Blase im Sono

    Immerhin, am Tag nach der OP konnte ich nach Hause. Im Gepäck: Voltaren, Paracetamol (dank Rezept endlich wieder mal legal die fetten Eingrämmer, die auch Kopfweh amix so schnell wegmachen) und Augmentin für zwei Tage.

    Dass der Stein endlich draussen ist, tröstet über die unangenehme Spitalnacht weg (etwa 30 Grad im Zimmer in dieser Tropennacht), über das äusserst unangenehme Rosé-Schiff-Erlebnis noch Tage nach dem Eingriff und darüber, dass ich am Abend der OP hohes Fieber sowie eine Ampulle Pethidin intus hatte, trotz Primperan Übelkeit verspürte und entsprechend so flach lag, dass ich am liebsten nur noch ohnmächtig geworden wäre.

    Die DJ kommt am 15. Juli raus – ohne Narkose.

    In einem Forum lese ich dazu folgende Aussagen: “Heute wurde mir die DJ-Schiene gezogen – wowoowwoow was für ein Genuss. Naja, war zu ertragen – aber es war schon unangehm, so einen Schlauch von 30cm mit Schlaufe am Ende durch die Harnröhre gezogen zu bekommen. Ich bin echt froh, dass ich es hinter mir habe.” – “Habe die Prozedur dreimal hinter mich gebracht. Wichtig ist, nach dem Ziehen viel zu trinken. Durch das ziehen der Schiene kann der Harnleiter anschwellen und die Niere stauen. Dann müsstest du über Nacht bleiben.” – “Ob es sehr schmerzhaft wird, kann niemand sagen. Aber ich denke mal, schlimmer als die unerträglichen Nierenkoliken wird die Entfernung nicht sein.”

    Na dann viel Spass.

  9. Soeben habe ich,
    lieber Andi,
    deinen langen Kommentar an dich selbst gelesen. Bei deinen anschaulichen und schonungslos offenen Schilderungen hat sich mir der Unterbauch bis und mit Beckenboden verkrampft, so sehr habe ich mitgelitten…
    Die gutgelaunte OP-Schwester 🙁 hat mir noch den Rest gegeben. Sollte umschulen, die Frau. Sofort!

    Ich schicke dir liebe Grüsse und alle meine guten Wünsche und Gedanken ans Krankenbett und trage vorsorglich den 15.Juli in der Agenda ein zum erneuten Daumendrücken!

    Hausfrau Hanna

  10. *Uff*, die Entfernung der Doppel-J-Schiene lief gut, war nicht mal so schlimm. Etwas unangenehm, klar, aber grundsätzlich einfacher als erwartet.

    Nach zwei Wochen ständigem “Ich-muss-schiffen-Gefühl” (vor allem im Stehen und Gehen), knallblutigem bis guinessfarbigem Urin, kolikartigen Schmerzen vor dem sowie beim Wasserlösen und solchen netten Dingen hoffe ich das Kapitel “Nierenstein” vorerst abgeschlossen zu haben.

    Alle, die Angst vor der Doppel-J-Katheter-Entfernung haben und dies via Google finden, kann ich beruhigen!

    Ich bin ein wehleidiger Mensch, doch wirkliche Schmerzen verspürte ich keine. Das Desinfizieren und leichte Betäuben der unteren Harnwege brennt etwas, aber das Einführen des Endoskops spürt man nur leicht. Der Arzt musste dann etwas im Trüben fischen, fand aber das Ende der Schiene und hakte das “Zugseil” ein.

    Einzig das Ziehen der Schiene (“Tief einatmen, aaaausatmen”, schwupps – in einer halben Sekunde ist der Schlauch draussen) ist recht komisch bis unangenehm – man kommt sich ein wenig vor wie ein Borg aus Star Trek, dem ein Implantat mitten aus dem Körper entfernt wird. Locutus lässt grüssen.

    Anschliessend gibts noch etwas blutigen Urin, das Gleitmittel tropft raus und es brennt leicht, aber die unangenehmen Symptome des Lebens mit DJ-Schiene waren bei mir sofort weg: Kein verfärbter Urin mehr, keine Schmerzen in der Niere mehr, kein ständiger Hardndrang mehr. Was für eine Erlösung!

    Wenn euch das nichts ausmacht, guckt die Live-Endoskopaufnahmen am Bildschirm gleich mit – mal seinen Musculus sphincter urethrae, seine Prostata oder die Blase von innen sehen ist ganz lustig und lenkt ab.

    Statt in einem Würfelraumschiff bin ich aber 5 Minuten nach dem Ziehen ganz normal mit dem Fahrrad heimgefahren. Anfangs bleibt ein etwas komisches Gefühl “da unten”, aber schon jetzt eine Stunde später fühlt sich alles wieder recht normal an.

    Also, seid versichert: Keine Panik, eine komplikationslose DJ-Entfernung ist sicher nicht so angenehm wie am Strand liegen, aber auch keine Katastrophe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert