Bitte mehr Archivmaterial am Fernsehen

Und nach Donna Summer schon wieder so ein Todesfall, mit dem etliche Reminiszenzen verknüpft sind.

Kurt Felix mag ja der personifizierte Ausbund an schweizerischer Biederkeit gewesen sein – aber ob wir das nun wollen oder nicht: Unsere medialen Kindheitserinnerungen sind unweigerlich mit seinen Produktionen und Erfindungen verknüpft. Felix war zweifellos ein grandioser Formate-Entwickler. Wer ein Fernsehgerät besass, kam um ihn nicht herum.

Nach dem letzte Nacht wiederholten “Teleoby” vom Februar 1974 habe ich mir einmal mehr einen Sender gewünscht, der den ganzen Tag nur 1:1-Wiederholungen von den 1960er- bis 1980er-Jahren bringt. Nicht nur eine “Tagesschau vor 25 Jahren” pro Tag oder ein “Wetten, dass…” von 1984 einmal im Jahr – nein, einfach 24 Stunden lang nur Archivmaterial, samt Werbeblöcken, Ansagen, Pannen. Ungeschnitten. Eins zu eins.

Blickpunkt, Antenne, DRS Aktuell, MTW, Das feuerrote Spielmobil (ARD), Panoptikum (“Tipps für Filmfreunde mit Frank Hoffmann”, ORF), Am dam des, die österreichischen Russischkurse, alle Catweazels und Fliewatüüts und den ganzen Kram – ich hätte glatt einen neuen Lieblingssender!

“Söll emol choo”, “Freedom And Sunshine For Giorgio Bellini” und andere Hits in Ehren – aber die Nostalgieleckerbissen sind doch gerade die längst vergessenen Alltagshappen, die einmal und nie wieder über die Mattscheibe geflackert sind. Irgend eine Tagesschau mit Paul Spahn – mit Beiträgen auf echtem 16mm-Film. Heidi Abels Tiersendung Nummer 376. Kulenkampff anno 1979. Ohne auf YouTube zuerst alles zusammensuchen zu müssen.

Ich würde genau so am Bildschirm kleben wie bei diesem Teleboy von vor 38 Jahren: Lebt Familie Remund noch? Ist Frau Küng noch mit Herrn Küng zusammen? Gabs damals wirklich schon Funkmikrofone? Hans Möckel und das Radio-Orchester, whow… ein Medley von Schnulzen in den damals üblichen Skikleidern, sensationell. Diese Frisuren! Toni Vescoli als “Langhaariger”. Tausendmal interessanter als alles, was ich die letzten Wochen so am TV geguckt habe.

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(Direktlink zum SF-Videoportal)

Habe ich diese komische Zeit wirklich schon miterlebt? Und wie! Zwar noch nicht fernsehguckend, doch ich wäre Anfang 1974 locker als kleiner Sedruner Teleboy durchgegangen mit diesem feschen Outfit:

Klein Blöker, Januar 1974 in Sedrun

Leider lässt sich das Bild nicht 1:1 nachstellen – heute würde man an dieser Stelle im Garten der Nachbarn an die Hauswand der anderen Nachbarn fotografieren.

Klein Blöker, Januar 1974 in Sedrun

Und wenn ich gewusst hätte, dass mein Tat acht Monate nach dieser Aufnahme tot wäre, hätte ich das Schlitteln mit ihm wohl doppelt genossen.

2 Kommentare

  1. Dank Great Firewall of China und ewigen Downloadzeiten kann ich leider den 1974er Teleboy nicht schauen (trotz VPN). Und ich bin keine Nostalgikerin… Aber: Warum weiss ich, dass die Paare am Anfang der Sendung immer die Lieblingsfarbe und das Lieblingsgetraenk (meistens “Schampanier”) nennen mussten? Und warum kenne ich die Teleboymelodie noch, inkl. der ersten Strofe… und warum erinnere ich mich jetzt grad ans “Karussell”, weiss zwar nicht mehr, worum es dort ging, aber “ta-tatatatata-taaatatata-ta-tatatatata-taaatatata-ta-tatatata-taatatata-ta-tatatata-titititititiii”, daran erinnere ich mich durchaus. Tja. Merci, Andi, fuer die Erinnerung! und ich bin auch fuer einen Archivsender. Ganz und gar.

  2. Ein Kollege von mir hatte die Teleboy-Melodie (natürlich mit Hans Moeckels Orchester) als Vinyl-Single und ich hab sie dann auf DAT und von DAT auf MiniDisc und von MiniDisc auf MP3 kopiert… ich denke, wir haben das sicher mal in einer unserer legendären RaBe-Sendungen verwendet in den 90ern!

    Die Karussell-Melodie ist übrigens schlicht und erfgreifend der “Sailor”-Song “The Old Nickelodeon Sound”: http://www.youtube.com/watch?v=3ZAlhqiyDb0

    Sailor…? Genau, das sind die mit dem Glas Schampanier: http://www.youtube.com/watch?v=rmJxeysqiAY – und dem Schwinger-Soundtrack: http://www.youtube.com/watch?v=UPGiLsdWZdo

    Aber ich befürchte, solchen Kram lassen sie sowieso nicht durch die böse Schina-Feuerwall.

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