Was im Seilbahninventar fehlt

An sich ist das gestern vorgestellte Schweizer Seilbahninventar eine gute Sache. Eine sehr gute sogar: Offenbar waren Leute mit Sachverstand am Werk.

Mehrere Leute sind im Auftrag des Bundesamtes für Kultur ausgeschwärmt und haben von allen Anlagen schöne Fotos gemacht. Die Beschreibungen der einzelnen Anlagen sind akribisch und mit viel Liebe zum Detail gemacht.

Dass z.B. die Schlepplift-Technologie der Seilbahnfirma Städeli in weiten Teilen von Theo Brunner stammt, ist ausserhalb eines kleinen Liebhaberkreises kaum bekannt; im Seilbahninventar ist auch dies verzeichnet.

Was für uns Freunde alter Skilifte und Sesselbahnen schade ist: Viele Anlagen, die ins Inventar hätten aufgenommen werden können, existieren nicht mehr, namentlich die Sedruner Sesselbahn Cungieri oder der Skilift Salzegg bei der Kleinen Scheidegg.

Man kann sich über die Bedeutung eines einzelnen Skiliftes natürlich immer streiten. Einen Eintrag im Inventar verdient hätten meiner Ansicht nach diese Unikate oder für ihre Hersteller charakteristischen Anlagen:

– Der Skilift Corbatière im Jura: Die imho weltweit letzte Anlage von Tebru (Theo Brunner) mit den Leichtbau-Portalmasten. Die Anlage ist praktisch Originalgetreu erhalten und ist ein guter Zeuge für Brunners Pionierarbeit – viele seiner Konstruktionspläne liegen bei mir auf dem Estrich und müssen noch ausgewertet werden. (Alternative: Tebru-Skilift auf der Lauchernalp, der allerdings ziemlich modifiziert wurde und schweren Stützen aufweist).

Skilift La Corbatière im Jura

Skilft Untere Wanne, Langenbruck: Langer Jura-Skilift von Gerhard Müller (GMD) aus den frühen 1950er-Jahren. Als Alternativen dazu kämen weitere klassische Müller-Anlagen wie jene in Prés-d’Orvin oder Tramelan in Frage. Wenn man WSO-Anlagen im Zürcher Oberland als Städeli-charakteristisch aufführt, müsste eine dieser vergleichbaren Müller-Anlagen auch ins Inventar.

– Der Skilift Gähwil in der Ostschweiz. Hier sind wohl die allerletzten Tebru-Originalgehänge im Einsatz, die teils sogar noch die seit den 1970ern unüblichen Holzbügel haben!

Téléski Grandval: Interessante Borer-Bühler-Kombination in besonderem Setting – die Einzelanlage ist weitgehend im Originalzustand (inkl. Gehänge) erhalten.

(Ich bin auf Skilifte spezialisiert; die Liste müssten Freundinnen und Freunde anderer Seilbahntypen allenfalls ergänzen.)

Als Kritik am Inventar angemerkt sein darf, dass viele der im Inventar in die frühen 1970er-Jahre datierten Skiliftbügel des Typs Städeli SL-HX nicht vor Ende der 1970er auf den Markt kamen. Zudem könnte die Usability verbessert werden (für eine wirklich moderne, attraktive Seite fehlte am Schluss wohl das Geld?). Alle URLs müssten verlinkt sein; weitere Links zu privaten Websites mit mehr Fotos würden dem Angebot anstehen.

Ansonsten haben wir mit dem Seilbahninventar aber eine ausgezeichnete (dreisprachige!) Website erhalten, welche die zahlreichen privaten Seilbahnfoto- und Seilbahngeschichts-Websites und Initativen zur Erstellung einer gedruckten Seilbahngeschichte bestens ergänzt.

Oder wie es ein User im Alpinforum formuliert: “Inmitten der unbändigbaren Kräfte des Tourismuskommerzes, welcher Altes am liebsten stets schnellstmöglich ausradieren möchte (am besten ohne dass dem Verschwundenem auch nur irgendjemand nachweint, da das Neue viel besser zu sein hat), ist diese Aktion des Bundesamt für Kultur besonders zu würdigen.”

Dem ist nichts hinzuzufügen.

2 Kommentare

  1. “Was für uns Freunde alter Skilifte und Sesselbahnen schade ist: Viele Anlagen, die ins Inventar hätten aufgenommen werden können, existieren nicht mehr, namentlich die Sedruner Sesselbahn Cungieri …”

    DEM gibt’s nicht mehr hinzufügen…

    sie wird, auch 6 Jahre nach ihrer Schliessung, schmerzlich vermisst…

  2. ich finde die seitenur halbtoll, der kontent ist sehr umfangreich. dass da noch die eine oder andere anlage fehlt, war zu erwarten. hoffe, deine anregungen werden aufgenommen.

    was mich mehr stört ist, dass die seite daherkommt als sei sie in den 90ern gemacht worden und das auch noch schlecht. design, lesbarkeit, usability, etc. sind .. na ja, schrecklich halt.

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