Lieber Herr Strahm, lieber Herr Platzer

Blogs sind ausgezeichnete Mittel für offene Briefe – beispielsweise als Replik auf Medienberichte, Leitartikel oder Leserbriefe.

Mit etwas Verspätung – die Zeitungen gelangen erst rund zwei Tage nach deren Erscheinen in die Provence – zunächst ein Wort an Rudolf Strahm: Grundsätzlich gehe ich mit Ihnen in vielen Punkten Ihres Textes einig. Nur – dieser Abschnitt zauberte Runzeln auf meine Stirn:

Wenn Sie jemandem einen schlechten Streich spielen wollen, schicken Sie ihm das nächste Paket mit einem privaten Postdienstleister anstatt mit der Post etwa mit DHL, UPS, DPD oder TNT. Sie werden Ihren Freund, wenn er das Paket nicht gerade zu Hause in Empfang nehmen kann, zwingen, die Sendung womöglich in der nächsten Stadt, an einem Bahnhof, bei einer Apotheke oder Autobahnraststätte selber abzuholen. Solcher Serviceverlust ist die unerfreuliche Seite der bisherigen Postpaketliberalisierung.

Herr Strahm, was ist denn da genau der “Serviceverlust”? Es ist doch völlig unerheblich, wo ich das Paket abhole – gewisse Apotheken sind definitiv näher als “meine” Post. “Am Bahnhof”? – Super! Als GA-Besitzer fahre ich sehr viel öfter Zug als dass ich an “meiner” Poststelle vorbeispaziere.

Kürzlich sah ich von der guten alten Post den Hinweis, man könne nun eine “kostenlose Zweitzustellung” beantragen, wenn man bei der ersten nicht daheim war – mal abgesehen davon, dass die Post sinnvollerweise ohnehin stets dann kommt, wenn die meisten im Büro sitzen, wird diese Neuerung als sensationell verkauft – die Konkurrenz bietet das aber schon längst an. Offenbar belebt der Wettbewerb den Markt sehr wohl; dahingehend, dass die lethargische Post in bestimmten Bereichen endlich aufwacht.

Bei DHL (die Firma liefert mir oft Elektronikartikel nach Hause) logge ich mich kurz ein, wenn ich nicht daheim war, gebe den Code auf dem Zettel ein, den der Fahrer hinterlassen hat, und beantrage eine erneute Zustellung zu einem gewünschten Datum. Oder ich erteile eine Vollmacht, das Paket einfach in den Gang zu legen bzw. bei einem Nachbar abzugeben. Ist doch wunderbar!

Doch es ist schon so: Sie haben recht – ja, es ist reichlich hanebüchen, wenn zig Paketdienste die selben Routen fahren. Übrigens sind auch die Verpackungen hanebüchen. Ich bekam kürzlich vier Artikel in drei separaten Sendungen an drei verschiedenen Tagen in viel zu grossen Kisten.

Die Hauptprobleme bei der Post sehe ich aber nach wie vor in ihren konsumentenfeindlichen Marketingtätigkeiten – an meinem Briefkasten steht deutlich “keine Promopost, keine teiladressierte Post”. Natürlich ignoriert die Spammerin der Nation dies konsequent. Aber das ist in diesem Blog ohnehin ein Dauerbrenner.

Damit zu Casimir Platzer, Präsident von Gastro Bern. Werter Herr Platzer, ich habe nichts gegen Sie persönlich, und Sie machen als Hotelier sicher einen ausgezeichneten Job. Wenn ich mich ein klein wenig “auf Sie eingeschossen habe”, dann liegt es daran, dass Sie als Touristiker und Beizerverbandschef Aussagen machen, die mir als Konsument auf den Keks gehen.

Hanspeter Latour würde Sie vermutlich einen “Gränni” nennen. Wie dem “Bund” vom Freitag (21. Mai 2010) zu entnehmen ist, jammern Sie immer noch über das “schikanös umgesetzte Rauchverbot”. Das hei mir iz de langsam ghört!

Drum eine Replik aus Gästeperspektive: Sie verlieren kein Wort darüber (jedenfalls lese ich nie in der Zeitung davon), dass man endlich wieder auswärts essen kann, ohne Gefahr zu laufen, wie ein Aschenbecher zu riechen und brennende Augen zu haben. Dass sich viele Leute über das weitgehende Rauchverbot freuen. Wieso heulen Sie etwas nach, das jetzt endlich auch in der Schweiz definitiv vorbei ist, für immer, punkt? Wie schon in vielen anderen Ländern? Wieso trimmen Sie Ihre Leute nicht darauf, ein wenig kreativ zu sein, das Beste aus der neuen Situation zu machen, Profit draus zu ziehen?

Es ist eben einfacher, einen zu lange tolerierten schlechten Zustand zu betrauern, als sich mit etwas Neuem anzufreunden. So ist der Mensch wohl – nur, wäre es nicht auch der Job eines Gastroverbandes, Ideen aufs Tapet zu bringen statt monatelang sie selbe alte Leier zu heulen und jene Lieder nachzusingen, die viele lethargische Beizer schon so lange singen? Wie wenn es ein immenses Wunder wäre, dass das Rauchverbot nun auch hierzulande da ist – es kam ja völlig überraschend; die Schweiz ist schliesslich weltweit das erste Land, das so einen infamen Schritt tut!

Casimir Platzer weiss wie alle halbwegs realitätsnahen Menschen: Das Rauchverbot wird bleiben. Wieso also das Gezwängel? Wieso schwören Sie ihre Truppe nicht drauf ein, dass man nicht den Kopf in den Sand stecken und fluchen, sondern was tun soll? Lifere statt Lafere?

Sie tun stattdessen, was alle reichlich langweiligen Lobbyisten tun. Das mag Ihr Job sein in der Rolle als oberster Berner Gastronom. Verständlich vielleicht – aber nicht besonders phantasievoll. Und irgendwie an Ihrem Kapital – den Gästen – vorbei gedacht.

– Nach einem schneearmen Winter sollte man einfach die Webcams höher rauf stellen, um den potentiellen Touristinnen und Touristen Schneelandschaften vorzugaukeln.

– Das in der Mehrheit der Bevölkerung breit abgestützte Rauchverbot ist Ihnen offenbar lästig, also wollen Sie es lieber wieder abschaffen statt einen guten Umgang damit finden.

– Schlimmer noch, da es hier noch unmittelbarer um Menschenleben geht: Die tiefe Promillegrenze halte Besucher von entfernten Landbeizen ab, sagen Sie, wenn Sie der “Bund” korrekt zitiert hat. Aha – ergo: “Lieber in der Reaktionszeit beeinträchtigte Autofahrer auf der Strasse als eventuelle Einnahmeausfälle für die Wirte!”

Einmal abgesehen davon, dass ich es seit der Einführung der 0.5-Promille-Grenze geniesse, viel mehr Flaschenweine als vorher glasweise geniessen zu können (ohne den Druck wären die Beizer wohl nie auf so eine Idee gekommen): Irgendwie beschleicht einen da der Gedanke, dass die Dicke des Wirteportemonnaies wichtiger sein könnte als das Wohl der Gäste und die Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer. Nicht gut, gar nicht gut, Herr Platzer.

Besonders viel Lust, die Etablissements Ihrer Mitglieder zu besuchen, hat man bei all dem Gemotze nicht. Trotzdem fordere ich alle Leute auf, die bisher wegen des Rauches Beizen ferngeblieben sind: Geht wieder mehr auswärts essen! Zeigt dem Gastroverband, dass er kreuzfalsch liegt.

Immerhin richten Sie, Herr Platzer, aber auch kritische Worte an Ihre Schäfchen – und bedauern, dass es die Branche nicht selbst geschafft hat, “einen vernünftigen Nichtraucherschutz auf freiwilliger Basis einzuführen”. Da haben Sie völlig Recht.

Doch wundert uns das, wenn selbst der oberste Wirt vor allem klagt anstatt aktiv Ideen einbringt?

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