Hallo Facebook: Wenn ich “weniger ähnliche Meldungen anzeigen” wähle, meine ich das auch

Ja, ich weiss, ich müsste bei dem Mist nicht dabei sein.

Aber ich gehöre zu jenen seltsamen Zeitgenossen, die es interessiert, was Freundinnen und Freunde – gerade jene, die man nicht mehr jede Woche sieht – so umtreibt. Facebook war dafür jahrelang eine schöne Plattform. Auch als Archiv des eigenen Lebens taugt Facebook nicht einmal schlecht.

Dass Facebook sich in den letzten Monaten zur undurchsichtig feedfilternden Werbeschleuder gewandelt hat, bereitet dem Vergnügen aber ein schleichendes Ende.

Wenn wir gerade dabei sind…

Für nette Auflockerung sorgen zudem fremdenfreindliche Parolen gewisser nun definitiv als rechtsextrem entlarvter Weggefährten von vor 30 Jahren (aber hey, wer will schon in seiner linken kleinen Bubble gefangen bleiben), Werbung für Sonnenbrillen oder Kredite gehackter Accounts bzw. allzu schnell klickender Netzbanausen, notorische Profilbildwechsler (“Anschlag in XY! Sofort Flagge als Hintergrund setzen!”), ICH-WIDERSPRECHE-DEN-NEUEN-FACEBOOK-AGB- und andere-Hoaxes-Teilern und Mein-Kind-als-mein-Profilbild-Setzerinnen, die – pssst! – dieser seltsamen Disziplin durchaus auch auf Whatsapp frönen.

Und natürlich die Meister meiner Lieblingsdisziplinen: Dem Teilen von Geschichten nach den Strickmustern “Zuerst blieb es ganz ruhig. Aber du wirst nicht glauben, was dann passierte” bzw. “Wer das teilt, ist lieb, und andere sind doof”.

Und jene, die genau dasselbe Bild auf Facebook, Twitter UND Instagram teilen, *Augenrollsmiley*.

Oder gefitzte Internetaktivistinnen, die dem in der ganzen Welt verstreuten Freundeskreis mitteilen möchten, dass in Hintertupfingen gerade Schulkinder von einem bösen Mann angesprochen werden (“BITTE TEILEN!!!!”), dass in Schüpfolfingikon Köter Rocky entlaufen sei (“HELFT MEINEN NACHBARN IHR HUNDI WIEDER ZU FINDEN!!!!!!!!”), dass ich mit Krautfönnding mithelfen soll, von vornherein zur Erfolglosigkeit verdammte Weissnichtwas (SUPERINTERESSANT) mitzufinanzieren, dass ich beim Urnengang XY doch unbedingt Z stimmen müsse (LASSEN WIR UNS DAS NICHT LÄNGER GEFALLEN!!!), dass ich mir die wahnwitzig weltbewegendwichtige Meldung von polzeificker-punkt-zehaa +++++ Zwei 3.29cm grosse Schildkröten ausgesetzt – bitte TEILEN & LIKEN! +++++ genauer angucken sollte oder DAS TEILEN soll, wenn ich GLEICHER MEINUNG sei.

Ah nein, KOPIEREN UND EINFÜGEN, NICHT TEILEN!!!! Im Fall.

Das höchste der Gefühle ist aber, wenn ich mithelfen soll, den armen kleinen SEIT *DREI* TAGEN vermissten Jan, sein Velo sein Töffli seinen Teddybär seine Märmeli oder Jan’s verdammte Zahn Spange wiederzufinden, auch wenn ich HUERESICHNOCHMAL ZWEIHUNDERT KILOMETER VON DA WEG WOHNE und nicht auf Deppenapostrophe, Deppenleerzeichen, Slacktivism oder Kommafehler stehe.

Dass Zuckis Applikation nun auch noch meint, mich grüssen zu müssen, löst höchstens Hassanfall Nummer 2871649 aus als den Wunsch, den Morgengruss zu erwidern.

Ohne Titel-1

Lass doch den Kinderkram, Herr Salzhügel, wirklich.

Aber was wollte ich eigentlich sagen? – Ach ja: Dem Fass den Boden ausschlagen tut in letzter Zeit allerdings die Renitenz, mit der sich Basefook dagegen wehrt, meine Wünsche zu respektieren.

Ich kann in der iOS-App tausendmal “weniger ähnliche Meldungen anzeigen” wählen – ob es jetzt darum geht, dass die FB-App mir zehnmal am Tag andrehen will, “ein aktuelles Foto” zu teilen (“15 neu”, im Fall!) oder “den letzten Link zu deinem Beitrag” hinzuzufügen oder meine beiden Facebook-Seiten umgehend kostenpflichtig zu bewerben – es kommt immer und immer wieder, unablässig, mehrmals am Tag.

Inzwischen bin ich überzeugt: Facebook muss nicht nur modularer anpassbar und transparenter kontrollierbar werden, Facebook müsste vor allem zwingend kostenpflichtig sein. Ein Abo-Modell würde einerseits userseitig die Spreu vom Weizen trennen und andererseits den blauen Riesen aus Menlo Park davon befreien, dermassen penetrant wie derzeit den Feed mit nervigen Aufforderungen vollzupflastern.

Wenn Facebook zahlungspflichtig würde, könnte der Konzern ohne schlechtes Gewissen eine Option “Feed ungefiltert / chronologisch” einführen – mit Suboptionen wie “reine ‘Gefällt mir’ ausblenden”, “Kategorie ‘Politik’ ausblenden”, “‘Seiten, die dir gefallen könnten’ ausblenden”. UND VOR ALLEM: “Alles über Hunde ausblenden”! (Am besten “automatisch löschen”, pardon.)

Das wäre etwa die selbe Erleichterung im Social-Media-Alltag wie wenn die offizielle Twitter-App endlich das Hashtag-Muting einführen würde.

Nein, ich gebe noch nicht gerade auf. Twitter und Instagram haben zwar Facebook in meiner tagesaktuellen Selbstdar…, äh, Kommunikation weitgehend abgelöst – und mit gezieltem Ausblenden, Muten, Entfreunden und Melden kann man bislang den Feed noch halbwegs sinnvoll gestalten bzw. säubern. Und JA – Facebook bringt mir nach wie vor interessanten Lesestoff, schöne Ferien- und Alltagsfotos sowie Tipps und Tricks, die ich sonst nicht bekommen hätte.

Wenn es  aber in diesem Stil weitergeht…

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… und diese Feedbacks auf “weniger von dieser dampfenden Kacke anzeigen” weiterhin eine blanke Lüge bleiben…

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… dann zerstört sich das Fratzenbuch nachhaltig selbst.

Und ich als alter Naivling hoffe immer noch, dass es bloss ein Bug ist, der in der nächsten Version der App behoben sein wird, muahahaha!

Werter Mark – ich kann wunderbar selbst beurteilen, wann ich was poste, und ich werde es sicher nicht dann tun, wenn mich irgend ein vollkommen Amok gelaufener, verquerer Algorithmus auch nach 100 Klicks auf NEIN noch dazu auffordert.

Habe geschlossen.

Ein Kommentar

  1. Aaah das war so richtig schön von Deiner Leber weg geschrieben. Von meiner übrigens auch. Fratzenbuch ist schon ein wenig ein pain dans le cul geworden.

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